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Welche Art von Wissen entsteht durch pränatale Untersuchungen? Wie werden Schwangere adressiert, was erwarten sie selbst? Welche Art von Entscheidungen werden durch die vorgeburtliche Suche nach Beeinträchtigungen erwartet und getroffen? Welches Bild von Behinderung wird hierdurch vermittelt und bestätigt?

Die feministische Forderung nach Selbstbestimmung und reproduktiven Rechten ist angesichts von rechten Angriffen wieder wichtiger geworden. Gleichzeitig gibt es verstärkte Kritik an einer Individualisierung dieser Konzepte und Zweifel daran, wer damit eigentlich gemeint ist. Neue technische Möglichkeiten pränataler Untersuchungen werden von internationalen börsennotierter Firmen in das deutsche Gesundheitssystem geschoben, die Angebote nehmen zu und werden weiter normalisiert. Das Versprechen: Belastung und Leiden sollen vermieden werden.  Die ableistische/behindertenfeindliche Logik der pränatalen Suche nach Beeinträchtigungen des Fötus wird von der Logik der Vorsorge für die Gesundheit des werdenden Kindes verdeckt. Unter komplexen, teilweise undurchschaubaren Bedingungen und im Spannungsfeld von gesetzlichen Ver- und Geboten, medizinischen Paradigmen sowie gesellschaftlichen Diskursen um Selbstbestimmung und Behinderung werden individuelle, rationale und verantwortliche Entscheidungen erwartet, gleichzeitig auch verunmöglicht – die einzelne Schwangere kann eigentlich nicht „richtig“ handeln.

Gibt es das Recht auf ein nicht behindertes, unkompliziertes Wunschkind, mit dem sich Mutterschaft und Erwerbsarbeit möglichst reibungslos verbinden lassen? Sollten Feminist*innen nicht mehr Energie darauf verwenden, für eine inklusive, soziale und geschlechtergerechte Gesellschaft zu streiten als für die Möglichkeit jeder Frau, Behinderung so weit wie möglich aus ihrem Leben herauszuhalten? Ein intersektionaler Feminismus muss dringend neu über das Spannungsfeld zwischen den emanzipatorischen und systemerhaltenden Potenzialen des feministischen Konzepts „Selbstbestimmung“ diskutieren.

Referierende

Kirsten Achtelik

Veranstalter

Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung

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