Anstelle der Kritik der politischen Ökonomie übt man heute Kritik am Neoliberalismus. D.h. Souveränität und Weltmarkt werden nicht mehr als die zwei notwendigen Seiten ein und derselben ›Sache‹, nämlich des Kapitals, begriffen. Der Appell an den Souverän soll vernünftig erscheinen – als könnte es vernünftig sein, dass die Subjekte tagtäglich ihre eigene Unfreiheit hervorbringen, die Marx das automatische Subjekt genannt hat: Man möge doch bitte das Wertgesetz innerhalb des Staats endlich wieder einmal zum Wohle seiner Bürger modifizieren, statt es als Naturgesetz hinzunehmen. Die einen wollen, dass man es zu diesem Zweck autoritär handhabe wie in China, die anderen warnen davor und plädieren für eine Neuauflage des deutschen Wirtschaftswunders, von deren Voraussetzungen im Nationalsozialismus man insgesamt nichts mehr wissen will. In jedem Fall wird beiseitegeschoben, was geradezu als das regulative Prinzip des Marxschen Kapitals gelten kann: Totalität ist dadurch objektiv gegeben, dass die einzige Möglichkeit, das Naturgesetz des Kapitals nicht hinzunehmen, darin liegt, es abzuschaffen. Stattdessen schafft man die Kritik der politischen Ökonomie ab. Das Ergebnis ist, dass Neoliberalismus bei den Souveränisten weniger eine bestimmte Theorie als den Weltmarkt selbst meint, den man in Gestalt von Globalisten oder Juden personifiziert. Und umgekehrt stellen sich die Djihadisten Souveränität als Inbegriff der Ungläubigen und Helfershelfer des zionistischen Staats vor, dessen Auslöschung das oberste Ziel ist. Es war Manfred Dahlmann, dessen Gesammelte Schriften nun bei ça ira erscheinen, der in diesen Konstellationen schon früh die Konturen des »Gegensouveräns« erkannte. Der Band über das Rätsel des Kapitals enthält die dazu nötige Kritik der politischen Ökonomie.

Es sprechen David Hellbrück und Gerhard Scheit (Wien), Herausgeber der auf sieben Bände konzipierten Gesammelten Schriften von Manfred Dahlmann. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlages, Günterstalstr. 37, im Hinterhof.

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