Alle paar Tage versucht ein Mann, seine Frau* oder (Ex-)Freund*in umzubringen, fast jede zweite Woche gelingt es einem. So werden monatlich in Österreich etwa drei Frauen* ermordet, womit Österreich europaweite Spitze erreichte. Bei dem überwiegenden Anteil der Frauen*morde bestand ein familiäres oder anderweitig nahes Beziehungsverhältnis. Die Zahlen auf internationaler Ebene sprechen ebenfalls für sich: Laut UNDOK-Report wurden 2017 87.000 Morde an Frauen* begangen, die zumeist auf brutalste Weise durch ihnen nahestehende Männer umgebracht wurden. Als globales Phänomen lässt sich Gewalt gegen Frauen* weder individualisieren noch als ‚Problem einer bestimmten Kultur' darstellen, sondern muss in seinem systemischen und gesellschaftlichen Charakter erfasst werden.
Mit dem Begriff des Femi(ni)zids wird auf die strukturelle Ebene dieser Gewalt gegen Frauen* verwiesen. Es handelt sich nicht um Einzeltaten, Familiendramen oder Verbrechen aus Leidenschaft, sondern um eine Zuspitzung gesellschaftlich verankerter Gewalt gegen Frauen*, die konstitutiv für aktuelle kapitalistische, vergeschlechtlichte Gesellschafts- formationen ist. Der Femi(ni)zid bildet dabei nur einen Aspekt im vielschichtigen Spektrum an Gewalt gegen Frauen*. Feministische Kämpfe wie ni una menos (Nicht Eine weniger) haben durch die Politisierung von Femi(ni)ziden den systemischen Charakter dieser Gewalt benannt und sind zu einer globale Bewegung geworden, die den feministischen Streik als Form politischen Protests und gesellschaftlicher Veränderung ergreift.
In dem Workshop soll sich gemeinsam dem Thema des Femi(ni)zids genähert und eine feministische, historisch-materialistische Perspektive auf Femi(ni)zide als theoretische Einbettung erarbeitet werden. Auf Grundlage dieser theoretischen Perspektive wollen wir die Notwendigkeit einer Politisierung von Gewalt gegen Frauen* ins Zentrum rücken und gemeinsam nach Verbindungen zu feministischen Streiks suchen, sowie nach deren Potenzialen für eine radikale Umwälzung aktueller patriarchaler, kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse fragen. Dabei werden wir der Frage nachgehen, wie Femi(ni)zide in einer politischen Debatte aus einer feministischen, historisch-materialistischen Perspektive verstanden werden können, was das mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun hat und welche Rolle Körper und das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie spielen.
Carina Maier und Ines Höckner sind Sozial- und Politikwissenschaftler*innen aus Wien, die sich mit Themen wie Femi(ni)zide, feministische Ökonomiekritik und -Gesellschaftstheorie, feministische Streiks oder autoritärem Neoliberalismus beschäftigen.