Es ist keine Neuigkeit, dass sich der liberale Rechtsstaat in der Krise befindet. In Ungarn wurde bereits vor Jahren die illiberale Demokratie ausgerufen; nationalistische Bewegungen fordern zwar Law & Order, nehmen es aber mit dem Rechtsstaat nicht so genau. Menschenrechte und Toleranz werden, wenn es um die Rechte der andersgläubigen, insbesondere Asyl suchenden „Anderen“ geht, relativiert und bisweilen wird gar die Geltung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Frage gestellt. Wesentlicher Motor für die Entwicklungen ist die Furcht vor „importierten“ Gefahren, welche durch Ressentiment geladene Narrationen befördert wird.
An diesem Punkt, der Rolle der Furcht, setzt der Vortrag an. Als Furcht der Menschen voreinander spielt sie spätestens seit Hobbes eine ganz zentrale Rolle für Gründung und Design des modernen Staates. Auf die Spitze getrieben ist sie bei Carl Schmitt, der die Gefahr, die Menschen füreinander darstellen, geradezu zelebriert. Den Liberalismus hält er für politisch naiv, weil er von einem übertrieben optimistischen Menschenbild ausgehe. Wer die Furcht als eminent politischen Faktor ernstnimmt, muss indes nicht beim starken oder gar totalen Staat landen. Das ist jedenfalls die Intuition von Judith Shklar, die sie in ihrem „Liberalismus der Furcht“ ausbuchstabiert.
Vor diesem Hintergrund stellt der Vortrag die Frage, ob die Furcht in der Politik produktiv gewendet werden kann und ob sich lassen sich daraus Wege erschließen lassen, um den liberalen Rechtsstaat schrittweise aus der Krise zu führen.
Eine Diskussionsrunde findet am nächsten Tag statt.