Vortrag von Rüdiger Binkle
Im Herbst 1944 wurde den Nazis in Baden und dem annektierten Elsass klar, dass die Tage ihrer Macht gezählt waren: Seit der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni drangen Truppen der Anti-Hitler-Koalition von allen Seiten vor und befreiten schrittweise die von der NS-Wehrmacht besetzten Gebiete. Überall begannen sie deshalb, die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen – vor allem die Zeugen: Leute, die wegen Widerstands gegen das Naziregime in Haft waren, sollten auf keinen Fall überleben.
Dazu gehörten Mitglieder des Réseau Alliance, einem eng mit dem britischen Geheimdienst MI6 kooperierenden französischen Spionage-Netzwerk mit 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Réseau-Agenten hatten den D-Day mit vorbereitet und im August 1943 die Bombardierung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde ermöglicht – und somit die Unterbrechung der Produktion der deutschen V2-Raketen. In der Folge wurden sie massenhaft festgenommen und verschwanden spurlos in Gefängnissen oder KZs. Am Freiburger Reichskriegsgericht wurden 58 Mitglieder der Widerstandsgruppe zum Tode verurteilt. Andere wurden 1944 im Rahmen des Nacht- und Nebel-Erlasses direkt ermordet: 14 Menschen im April in Karlsruhe und 102 Menschen im September im KZ Natzweiler-Struthof.
Am 23. November 1944, dem Tag der Befreiung Straßburgs, saßen noch 71 Mitglieder des Réseau in den Gefängnissen in Kehl, Rastatt, Offenburg, Freiburg, Bühl, Gaggenau und Pforzheim. Auf Befehl des regionalen Gestapo-Chefs Helmut Schlierbach ermordeten sein Befehlsempfänger Julius Gehrum und dessen Gefolgsleute bis zum 30. November 70 von ihnen. Dieses Massaker, dem am Tag nach der am 27. November erfolgten Bombardierung Freiburgs auch in der JVA Freiburg drei Widerstandskämpfer zum Opfer fielen, ging als „Schwarzwälder Blutwoche“ in die Geschichte ein – ist jedoch heute weitgehend vergessen.
Wir aber wollen daran erinnern, wollen anlässlich des bevorstehenden 80. Jahrestags der Befreiung von Faschismus und Krieg auch der Frauen und Männer dieser Résistance-Gruppe gedenken, die auch Pässe fälschten und so verfolgte Jüdinnen und Juden retteten. Wie so viele andere trugen sie mit ihrem Mut, ihrer Widerstandskraft, ihrem Engagement für ein Leben ohne Naziherrschaft viel zu dieser Befreiung bei, die in Freiburg dann am 21. April 1945 gelang.
Eine Veranstaltung des VVN-BDA Freiburg – Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
im Rahmen der Freiburger Aktionswochen gegen Antisemitismus 2024