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Iran – Die Freiheit ist weiblich

Der gewaltsame Tod der kurdischen Iranerin Mahsā Jîna Amīnī in Polizeigewahrsam am 16. September 2022 hat eine beispiellose Welle des Protests in allen Landesteilen Irans ausgelöst. Die Proteste begannen im kurdischen Teil Irans und breiteten sich schnell aus. Die kurdische Parole der feministischen Bewegung „Jin, Jiyan, Azadî” (Frau, Leben, Freiheit) wurde im Persischen übernommen „زن، زندگی، آزادی“ und steht für das derzeitige Auflehnen der Bevölkerung gegen das repressive Regime wie keine andere. Neu ist sie nicht: Seit Jahrzehnten wird sie von der kurdisch-feministischen Bewegung in Iran und in anderen kurdischen Gebieten verwendet. Doch nie zuvor wurde ihr in Iran eine so breite Unterstützung zuteil – unabhängig von Geschlecht, Ethnie, Alter und Schicht.

Das Kommunale Kino hat in Kooperation mit der Fachschaft Islamwissenschaft kurzfristig beschlossen, die Proteste mit iranischen Filmen, Vorträgen, Lesungen, Podiumsdiskussionen und einer Ausstellung im Alten Wiehrebahnhof zu begleiten und den Großteil der Einnahmen an eine NGO zu spenden, die Frauen und queere Menschen in Iran unterstützt.

Unsere Kooperationspartner*innen sind die Fachschaft Islamwissenschaft der Universität Freiburg, FAIRburg e.V., Lesbenfilmtage und Slow Club e.V sowie etliche Deutsch-Iraner*innen in Freiburg, die sich mit dem Ziel der Proteste – für die freiheitliche Selbstbestimmung aller Menschen in Iran – solidarisieren.

Wann immer ich an etwas leide, werde ich darauf reagieren, weil ich von keiner Partei abhängig bin, keine Befehle empfange und ­unabhängig darüber entscheide, wann ich meine Filme mache. (Jafar Panahi, 2003)

Für ihre unbestechlichen Darstellungen der iranischen Gesellschaft und für ihren Einsatz für die Freiheit der Ideen, Meinungen und Kunst wurden die Filmemacher Jafar Panahi und sein Regiekollege ­Mohammad Rassulof von den Behörden ihres Landes immer wieder mit Arbeitsverboten, Hausarresten, Ausreisesperren und Inhaftierung abgestraft. 2010 wurden sie zu sechs Jahren Haft verurteilt und für 20 Jahre von jeder Tätigkeit in der Filmindustrie ausgeschlossen. Nach einem Hungerstreik in der Haft und dem weltweiten Echo auf seinen „Fall“ wurde Jafar Panahi auf Kaution wieder freigelassen, ebenso Mohammad Rassulof. Die beiden befanden sich mit Auflagen unter Hausarrest.

Die Filmemacher haben trotz Verbote weiter Filme gedreht und auf die internationalen Filmfestivals wie Cannes, Berlinale und Venedig geschmuggelt. Panahi hat 2015 auf der Berlinale den Goldenen Bären für seinen Film TAXI TEHERAN bekommen und Rassulof 2020 für seinen Film DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT. Beide konnten den Hauptpreis der Filmfestspiele nicht entgegennehmen, da sie Iran nicht verlassen dürfen.

Seit Juli 2022 sitzt Panahi in dem berüchtigten Ewin-Gefängnis in Teheran, weil er sich nur solidarisch beim Staatsanwalt nach dem Schicksal von zwei seiner verhafteten Kollegen Mohammed Rassulof und Mostafa Al-Ahmad erkundigt hat. Diese hatten sich für Panahi einsetzen wollen und wurden kurz vor ihm festgenommen. Panahi und Rassulof unterstützen sich gegenseitig, nicht nur bei gemeinsamen Dreharbeiten. Wir würdigen mit den Doublefeatures diese beiden mutigen und konsequenten Filmemacher.

Taxi Teheran

So 20.11., 17:30

Eine unglaubliche Geschichte: Jafar Panahi tritt in seinem eigenen Film auf – nicht als Schauspieler. Sondern als er selbst, als der Regisseur jenes Films, den er im Augenblick seines Auftritts auch gerade dreht. Man sieht ihn als Taxifahrer in Teheran. Auf sein Armaturenbrett hat er eine kleine Action-Kamera montiert, mit der er seinen Alltag als Fahrer aufzeichnet: Zwei Fahrgäste geraten über die Frage der Todesstrafe in Streit; ein Schwarzhändler lässt sich von Panahi zu seinen Kunden fahren, denen er im Iran verbotene amerikanische Filme verkauft; die bekannte Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh erklärt die Folgen der permanenten Bespitzelung: „Deine engsten Freunde werden zu Feinden.“  Zwischendurch kommt es aber immer wieder auch zu komödiantischen Szenen oder unfreiwillig komischen Momenten … Alle paar Minuten steigen neue Fahrgäste ein und aus, einige von ihnen erkennen Panahi und sprechen ihn auf seine Filme an.

Aus den einzelnen Episoden ergibt sich das facettenreiche Bild einer Gesellschaft, in der es unter der oppressiven, staubigen Decke religiöser Vorschriften und Verbote gewaltig brodelt. Die Geschichten der Fahrgäste machen – mal leicht im Ton und mal tragisch – bewusst, wie schwierig das Leben unter einem Regime ist, das sich in die privatesten Dinge einmischt und zugleich die Wirklichkeit und die Bedürfnisse der Menschen nicht sehen will.
Regie: Jafar Panahi,  Iran | 2015 | OmU | 95 Min.

Drei Gesichter

So 20.11., 20:00

Für DREI GESICHTER setzt sich der in seinem Heimatland eigentlich mit einem Berufsverbot belegte Filmemacher erneut hinter das Steuer. Mit der bekannten Schauspielerin Behnaz Jafari fährt er in ein abgelegenes Bergdorf, um ein Mädchen zu finden, das eine dramatische Video-Botschaft per Handy geschickt hat: Hat sie sich tatsächlich umgebracht, weil ihre Familie sie nicht an eine Schauspielschule in Teheran lassen will? Panahi und Jafari spielen sich selber, die Geschichte ist allerdings fiktional: Mit einfachsten Mitteln und hintergründigem Humor wird aus einem Thrillerplot ein Film über die Geschlechterverhältnisse in der Islamischen Republik Iran.

Das Roadmovie in den Norden des Iran bringt überraschende Begegnungen: Dorfbewohner, die einspurige Bergstraßen mit cleveren Hupcodes passierbar machen; alte Frauen, die in ausgehobenen Gräbern Probe liegen, und potente Zuchtbullen, die den Weg versperren. Die Kamera fängt die spröde Schönheit der Landschaft und ihrer Bewohner*innen ein, es sind stille, jedoch sehr starke Bilder aus fast jeder Tages- und Nachtzeit. Mit seiner pointenreichen Reise durch Iran gelingt Panahi ein hoffnungsvolles Plädoyer für Freiheit und Menschlichkeit, das aktueller nicht sein könnte. Ein intelligentes Kinovergnügen, das in Cannes 2018 die Palme für das Beste Drehbuch gewann.

Regie: Jafar Panahi, Iran 2018, OmU, 100 Min.

 

Doublefeatures: JAFAR PANAHI & MOHAMMED RASSULOF
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