Die Räumung des Wagenplatzes Kommando Rhino in Freiburg jährt sich nun ein zehntes Mal. Die Besetzung des M1 Geländes durch das Wagenkollektiv war ein Raum für selbstverwaltetes Leben, unkommerzielle Kunst, Kultur und auch ein Versuch, den Ausbau des grünen Kapitalismus in Freiburg zu sabotieren. Kommando Rhino wurde am 3. August 2011 geräumt. Unser Bestreben, Freiräume zu erkämpfen ist seitdem nicht erloschen. Wir brauchen Räume, um eine schönere Welt zu erschaffen, um Unterdrückungsmechanismen, Konsumwahn und Bussinestempel täglich von unten zu bekämpfen. Wenn unsere Projekte, Räume und Plätze zerstört werden, liegt es an uns, ihre Geschichte weiterzuschreiben, indem wir an das Geschehene erinnern. Sei es auf den Strassen, den Plätzen, in den Häusern oder sonst wo. Also macht mit, wenn wir am 3. August 2021 um 18:00 den dem Erdboden gleichgemachten Freiraum wiederbeleben, indem wir seine Geschichte zusammen in die Stadt tragen.
Das M1 Gelände wurde im Frühling 2009 von Unweltaktivist*innen, Anwohner*innen und Freiräumaktivist*innen besetzt, um den Bau des damals geplanten "Green-Bussiness Center" zu verhindern. Der Genfer Investor Michael Schröder war an der Bau-initiative dieses Betonklotzes mit grünem Öko-Image beteiligt; genauso wie an der Räumung des besetzten Hauses Rhino in Genf 2007. Er war ein relevanter Akteur der damaligen Räumungswelle, welcher auch der Squat LaTour zum Opfer viel – Genf wurde ab diesem Zeitpunkt durchgentrifiziert und verlor den Status einer weltoffenen Stadt mit Platz für Andersdenkende, Subkultur und Widerstand. Daher kam der Name des Wagenkollektivs "Kommando Rhino", das sich im Frühsommer 2009 der Besetzung des M1-Gelände anschloss. So verwandelte sich das Eingangstor zum schicksanierten Vauban-Viertel in einen selbstverwalteten Wagenplatz. Es entstand neben Wohnraum für knapp 40 Menschen auch ein Raum für Volxküchen, Kneipen und Konzerte, Ausstellungen, Cafébetrieb, Infoveranstaltungen, Saunaabende und vieles mehr. Als die düsteren Baupläne Schröders scheiterten, verkaufte die Stadt Freiburg das M1 Gelände an ihre eigene Wohnbaugesellschaft - die Freiburger Stadtbau - für 1,1 Millionen Euro und machte sich daran, das Gesetz der Verwertungslogik auf dem M1 Gelände zu vollstrecken. Dieses Vorhaben gipfelte in der Räumung des Kollektivs im August 2011 und dem darauffolgenden Bau des grün bemalten Betonklotzes namens "Green-City-Hotel".
Als klar wurde, dass die Räumung des M1-Geländes für Anfang August 2011 geplant war, gab es seitens der Unterstützer*innen Rhinos zahllose Aktionen: Demos, Paraden, Spontandemos, Fahraddemos, direkte Aktionen, Filmclips und Propaganda. Zahlreiche Gruppen und Initiativen erklärten ihre Solidarität mit der Wagenburg. Gleichzeitig versuchte "Kommando Rhino" durch Gespräche mit der Stadtverwaltung und Zusammenarbeit mit Kommunalpolitiker*innen die drohende Räumung noch zu verhindern. Den letzten Monat vor dem Räumungstermin erklärte das Kollektiv zum Aktionsmonat mit einem Actioncamp im Kieselgarten auf M1, mehreren Demonstrationen und einer DIY-Woche mit Jubiläumsfestival. Viele Menschen beteiligten sich an den Protesten. In der Nacht vor der Räumung, am 3. August 2011, brannten Barrikaden in der Vauban, abseits des M1 Gelände, sowie mehrere Baufahrzeuge auf der V8-Baustelle, wo die ehemalige KTS und mehrere Besezungen der Schattenparker in der Vergangenheit polizeilich geräumt worden waren. Direkt vor dem M1 fanden sich viele Supporter*innen ein, um sich der Räumung des Platzes in den Weg zu stellen. Mehrere Hundertschaften der Polizei mit 200 Fahrzeugen, schwerem Räumgerät und vermummten Spezialeinheiten waren an der Räumung beteiligt. Die in den frühen Morgenstunden anrückenden Cops räumten die Überreste der in der Nacht noch brennenden Barrikaden auf ihrem Weg beiseite. Vor dem M1 Gelände angekommen, machten sie sich daran die Supporter*innen zu verdrängen und zerstörten schließlich den komplett verbarrikadierten Wagenplatz.
Die Stadtverwaltung pflegte schon lange vor der Räumung von "Kommando Rhino" eine offene Feindschaft gegenüber Wägler*innen. Die letzten Belege dafür waren die wiederholten Räumungen, Beschlagnahmen und Zerstörungen der Wägen der Strassenpunx von 2006 bis 2007 und die Räumung und Beschlagnahme der Wägen der Wagengruppe Schattenparker 2006. Der 3. August 2011 war nur einer von vielen Schritten der Freiburger Stadtverwaltung und Bullen in ihrem Bestreben, die Freiburger Freiraum- und Wagenplatzbewegung in die Knie zu zwingen. Und wer hätte es gedacht: im Handumdrehen wurde die Zerstörung von Kommando Rhino durch einen medial aufgebauschten Streit über die Legitimität von unterschiedlichen Protestformen überschattet. Die Polizei streute polemische Falschinformationen, die in den Medien unüberprüft übernommen wurden. Sie brach in die KTS ein, partouillierte verstärkt in der Stadt und drangsalierte Wagenbewohner*innen. Das Ordnungsamt begann mit Allgemeinverfügungen um sich zu werfen und verbot u.a. die selbstverwaltete 1. Mai Feier im Grün. Auch der Umgang der Stadtverwaltung mit Wägler*innen verbesserte sich in den folgenden Jahren nicht, wie die Beschlagnahme und beinahe Verschrottung der Wägen der Wagengruppe Sand im Getriebe 2014 erneut deutlich machte.
Wagenleben, Freiraum- und Umweltaktivismus und unsere Kämpfe für ein Leben jenseits der zerstörerischen Konsumkultur sind aber nicht aus der Stadt verschwunden und werden es auch nicht tun. Es hat schon viele Versuche gegeben und es wird immer wieder Versuche geben unsere Bewegung durch Forderungen nach Distanzierungen kleinzukriegen. Wir dürfen uns aber nicht in Gut und Böse spalten lassen! Politische Bewegungen brauchen unterschiedliche Aktionsformen um erfolgreich zu sein und wir sind Freund*innen der Vielfalt. Auch weniger subtile Repressionsschläge wie Räumungen, Razzien, Beschlagnahmungen oder Festnahmen sind schon lange ein Teil der Geschichte unserer politischen Kämpfe. Wenn wir ihnen aber gemeinsam begegnen und daraus unsere Schlüsse ziehen, können wir uns wehren, weitermachen und wiederkommen.
Grüner Kapitalismus ist eine Lüge!
Miete, Abriss, Schicksanierung wir haben's satt! Plätze, Häuser, Alles für alle in der Stadt!
Gegen die Hetze, gegen Gesetze, für mehr Bauwagenplätze!