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Seit von einer Pandemie im Zusammenhang mit Covid-19 die Rede und das Virus Realität ist, taucht das Wort „Triage“ in der öffentlichen wie wissenschaftlichen Debatte immer öfter auf. Eine Flut von Aufsätzen erscheint und einschlägige Buchpublikationen nehmen zu. Der ethische und juristische Fokus ist darauf gerichtet, wie unter den Bedingungen von Ressourcenknappheit in der Intensivmedizin die zur Verfügung stehenden klinischen Mittel gerecht verteilt werden können. Dabei stehen insbesondere Intensivmediziner in einer extremen Entscheidungssituation. Diskutiert wird die Strafbarkeit von Ärztinnen und Ärzten, die zwingend „triagieren“ müssen, und ob es für die „Triage“ einer gesetzlichen Regelung bedarf.

Ausgeblendet bleiben meist die politischen und ökonomischen Ursachen für die Ressourcenknappheit und Möglichkeiten, wie das Gesundheitswesen aus der Klammer zunehmender privater Profitabilität und Ökonomisierung im Bunde mit Personalverknappung befreit werden kann. Nur durch tiefergreifende Maßnahmen lassen sich „Triage“-Entscheidungen in Pandemien wirklich vermeiden. Wir haben die Notsituation in Bergamo vergangenes Jahr erlebt, die auch Folge der dortigen vorherrschenden öffentlichen Lega-Sparpolitik sind. Die Lektion „Bergamo“ war schon in der „coronaberuhigten“ Zeit des Sommer 2020 vergessen. Jegliche Vorkehrungen gerade zum präventiven Schutz gefährdeter älterer Menschen in den Pflegeheimen wurden unterlassen. Ganz zu schweigen von der zögerlichen Organisation eines wirkungsvollen Impfsystems.

Mit Ausnahme einer Online-Veranstaltung des Deutschen Ethikrates galt die Aufmerksamkeit der „Triage“-Debatte bisher auch kaum den Konsequenzen, die sich aus dem verfassungsrechtlichen Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung ergeben. Aus dem Umgang mit Menschen mit Behinderung lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die menschenrechtliche Verfasstheit von Staat und Gesellschaft ziehen. Von diesem zentralen Gedanken lässt sich der Vortrag von J. Arnold leiten.
Seiner Ansicht nach muss auch bei (zu) knappen Ressourcen der Schutz von Menschen mit Behinderung rechtssicher (Gesetz) und benachteiligungsfrei gestaltet sein. Der Referent favorisiert anstelle des häufig vertretenen Utilitarismus einen strikten Egalitarismus, der weniger diskriminierungs- bzw. benachteiligungsanfällig erscheint. Auf den Punkt gebracht: „Gleichheit vor der Triage“! Er fragt nach den Konsequenzen für das Strafrecht und geht auf die von Menschen mit Behinderung erhobene Verfassungsbeschwerde ein und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung.

Zum Referenten: Prof. Dr. Jörg Arnold ist Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht, Freiburg, und Honorarprofessor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Gegenwärtige Forschungsschwerpunkte: „Triage“; Rechtsradikalismus und Strafrecht – insbesondere NSU-Prozess; Post-sowjetische Kriminologie.

Zum Online-Vortrag: Über den angegebenen Link gelangen Sie zum Livestream des Vortrags, der am 21.4.2021 ab 20.00 Uhr verfügbar sein wird. Eine Anmeldung oder ein Login auf der Website sind nicht erforderlich.

Ab 20.15 Uhr wird es zunächst einen Input von Prof. Dr. Arnold geben. Sie haben bereits während des Vortrags, aber auch im Anschluss daran die Gelegenheit, Ihre Fragen und Diskussionsbeiträge ganz unproblematisch in einem Chat zu stellen. Über einen Moderator werden wir all Ihre Fragen aufgreifen und im Anschluss an den Vortrag diskutieren.

Wir hoffen zuversichtlich, dass auf diese Weise eine rege Diskussion zustande kommt. Unmittelbare mündliche Beiträge lässt das Format, das wir verwenden müssen, leider nicht zu.

Vortrag von Prof. Dr. Jörg Arnold
Plakat