Die Deportation der jüdischen Bürger und Bürgerinnen aus Baden und der Saarpfalz in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich

Am Morgen des 22.10.1940, am letzten Tag des jüdischen Laubhüttenfestes, drangen Polizeibeamte in die Wohnungen der jüdischen Bürger*innen ein und forderten die zumeist älteren Menschen auf, schnell das Nötigste einzupacken. Mitnehmen durften sie maximal 50 kg Gepäck und 100 Reichsmark. Den ganzen Tag über wurden unter den Augen ihrer Mitbürger*innen 379 Freiburger Jüd*innen aus ihren Wohnungen geholt und zu zwei Sammelstellen im Stühlinger gebracht. Dort mussten sie eine Abtretungserklärung für ihre gesamte Habe unterschreiben. In der Nacht fuhren Autobusse die Zusammengetriebenen zu den Zügen am Güterbahnhof. Die Zugfahrt nach Gurs dauerte drei Tage und vier Nächte, einige Ältere starben bereits auf der strapaziösen Reise. Die Gauleiter von Baden und der Saarpfalz Robert Wagner und Joseph Bürckel hatten die Deportation der 6500 jüdischen Bürger*innen angeordnet und mit Unterstützung des Reichssicherheitshauptamtes durchgeführt. Am 23. Oktober meldete Wagner nach Berlin, sein Gau sei als erster Gau des Reiches „judenrein". Am selben Tag erklärte er den Besitz und das Vermögen der Deportierten für beschlagnahmt und dem Land Baden zugefallen.
Aus Anlass des Jahrestages und aufgrund des zunehmenden Antisemitismus haben wir uns mit der jüdischen Geschichte in unserem Stadtteil „Im Grün" und ganz konkret in der Spechtpassage in der Wilhelmstr. 15 beschäftigt.

Aufgrund der Nähe zur Synagoge lebten viele Jüd*innen im Grün, und es gab 13 jüdische Gewerbebetriebe, davon zwei in der Spechtpassage: Seit 1930 hatte die Süddeutsche Papiergesellschaft hier ihren Sitz. Betrieben wurde das Unternehmen von den beiden Brüdern Jakob und Alfons Wertheimer. Ab 1920 hatte Julius Haas, der Bezirksdirektor der Iduna Versicherungen, seine Arbeits-und Wohnräume in der Wilhelmstraße 15. An der Vorderfont ist noch sein Name zu lesen.
Unsere für Oktober geplante Veranstaltung zu jüdischem Leben im Grün und zu den Deportationen mussten wir coronabedingt auf nächstes Frühjahr verschieben. Deshalb möchten wir in den folgenden Newslettern über die Schicksale der Familien Wertheimer und Haas berichten, die seit 1933 Entrechtung, Verarmung und Lagerhaft erleben mussten und 1940 nach Gurs deportiert wurden.
In unserem aktuellen Schaufenster stellen wir Bücher zum Thema aus.
Nachfolgend empfehlen wir Ihnen weitere Erinnerungsprojekte, die die jüdische Geschichte im Grün erarbeitet haben, und möchten Sie zudem auf die Veranstaltungen zum Gedenktag hinweisen.

Das „Projekt Stolpersteine in Freiburg" hat für mehr als 20 Opfer der NS-Zeit Stolpersteine im Grün verlegt und ihre Lebensschicksale recherchiert. Mitarbeiter*innen von Radio Dreyeckland erzählen in ihren „Audioguides Im Grün" Geschichten aus einem umkämpften Viertel. Darin stellen sie auch zwei jüdische Betriebe vor: In der Belfortstraße 50 hatte Irving Auerbacher eine Tabakwarengroßhandlung und in der Faulerstraße 12 betrieben die beiden jüdischen Familien Darnbacher & Maier, ein Geschäft für Därme, Gewürze und Metzgereiartikel. An der Hörstation am Güterbahnhof berichten sie über die Oktoberdeportation.
Und unter schalomfreiburg.de finden Sie einen Hörspaziergang auf den Spuren jüdischer Geschichte in Freiburg.

 

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