Die Bedeutung des Geldes wurde ausgerechnet dort zum blinden Fleck, wo die Gesellschaftskritik, wie etwa bei Lukács, Adorno und Sohn-Rethel, auf die Wert- und Warenförmigkeit gesellschaftlicher Vermittlung zielte. Wo dagegen das Geld zum Gegenstand der Kritik wurde, ist es Rätsel geblieben. Die Rätselhaftigkeit gilt vor allem für den Zusammenhang von Geld und Zeit, und das umso mehr, als in der Zeit die Lösung des Geldrätsels zu liegen scheint: »Zeit ist Geld«. Doch der Zusammenhang von Zeit und Geld wurde, der Identität des »ist« entgegen, stets nur exoterisch aufgefasst, so nämlich, als sei die Zeit wie eine physikalische Größe unabhängig und außerhalb des Geldes von Natur aus da, und wenn man sie produktiv nutzt, dann zahlt sich das in Geld aus. Dagegen wird zu zeigen sein, dass die einzelnen Geldfunktionen die Technik ergeben, durch das Quantifizieren gesellschaftlicher Verhältnisse mit der Identität der Zeit zu rechnen. Unmittelbarer noch, das Geld identifiziert sich mit der derselben Zeit, die es auf quantitative Weise wie eine zweite Natur mit sich bringt. Entscheidend sowohl für jene Identifikation von Geld und Zeit wie für diese Kritik einer zweiten Natur ist aber, beides über die Technik des Messens und des Quantifizierens zu entwickeln – und nicht, wie Lukács, Adorno und Sohn-Rethel, aber auch noch die Neue Marx-Lektüre das versucht haben, über den Zusammenhang von Warentausch, Abstraktion und das Geld als Tauschmittel.
Auf den Vortrag von Frank Engster antwortet Christian Thalmaier: Dass das Geld sich mit einer Zeit identifiziere, die es zugleich mit sich bringe – das wird nur einer sagen können, der seine Liebe zu Hegel im zweiten Frühling einer nochmals neuen Neuen Marxlektüre erneuern will. Frank Engster empfiehlt sich mit einer Kehre der Neuen Marxlektüre. Diese lässt Hegel in Heidegger und vice versa diesen in jenen übergehen und erweist sich am Ende als in gewisser Weise meisterhaft dialektisch dynamisierte Existenzialontologie. Weil aber der Tod der wahre Meister aus Deutschland ist, überspringt Frank Engster das Heideggersche Dasein, als ob ihn jede Spur des quälbar Lebendigen beim Philosophieren stören würde. Bei ihm wird nicht nur Leiden niemals beredt – es kommt vielmehr ebenso wie der Nationalsozialismus in den 750 Seiten seiner Dissertation gar nicht vor. Der Anschluss an Heidegger vollzieht sich daher gleich im menschenleer gewordenen Raum einer Seinsgeschichte, die Frank Engster in eine von »Geld und Zeit« transponiert. In diesem Raum absoluter Immanenz vermag, was vom dort eingeschlossenen Individuum übrig blieb, nur noch die devote Frage zu stellen: Warum das Geld uns den Kommunismus vorenthält.
Vortrag und Podiumsdiskussion mit Frank Engster (Berlin) und Christian Thalmaier (Freiburg). Um 20 Uhr in den Räumen des ça ira-Verlages im Hinterhof (1. OG) der Günterstalstr. 37. Der Eintritt ist frei.