Werner Herzogs beeindruckende Fähigkeit für seine Dokumentarfilme Menschen zu finden, die fast so schräg sind wie der Regisseur selbst, verleiht auch Grizzly Man eine ganz besondere Qualität. Hier widmet sich Herzog dem selbsterklärten Grizzly-Experten und Naturschützer Timothy Treadwell, der über Jahre hinweg in der atemberaubenden Schönheit des Katmai Nationalparks in Alaska in nächster Nähe mit den gefährlichen Riesen verbringt – und am liebsten selbst einer von ihnen geworden wäre. Für seine unkonventionelle „Studien“ wurde Treadwell hierbei immer wieder von anderen Forscher*innen kritisiert, weil er über Jahre hinweg grundlegende Regeln in der Interaktion mit den Bären Alaskas missachtete.
Mit seiner tiefgreifenden Ergründung Treadwells fragwürdiger Tierschutzkampagne spiegelt der Film in vielerlei Hinsicht auch Herzogs eigene ambivalente Faszination mit der Wildnis wider. Denn schon seit dem Beginn seines filmischen Schaffens zieht es den gebürtigen Bayern an die abgelegensten Orte des Planeten – in die dichten Urwälder des Amazonas, in die eisige Kälte der Antarktis oder an die Krater der wenigen aktiven Vulkane. Und es gibt weitere nennenswerte Parallelen zwischen dem Filmemacher und seinem Protagonisten, denn auch Treadwell ist ein Meister der Selbstinszenierung und der Provokation. Beiden gelingt es das Publikum mit ihren Eigentümlichkeiten auf ihre Seite zu ziehen und sie an ihrer einzigartigen Perspektive teilhaben zu lassen. Und so legt der Film die Erkenntnis nahe, dass es gerade Menschen wie Treadwell und Herzog zu sein scheinen, die in ihrer Exzentrik keinen Halt vor fragwürdigen Eingriffen in die Lebenswelt anderer machen. Das Produkt ist ein ebenso unterhaltsamer wie tiefgründiger Dokumentarfilm, der sich der Thematik auf seine ganz eigene Weise nähert.
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