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Universität Freiburg Kollegiengebäude I

Platz der Universität 3
79098 Freiburg im Breisgau
Deutschland

HS 1009

Die Utopie der Bildung versprach einst, daß der Mensch durch seinen Auf­stieg zur Gottesebenbildlichkeit sich selbst und seine Welt durch Vernunft zu bilden vermöchte: einem Bildhauer gleich. Bildung ist: höchste theoretische Einsicht in die Welt als Ganze, praktische Verwirklichung des Menschen als Menschen, der Gesellschaft als eines vernünftigen „Vereins freier Men­schen“ – so daß der Mensch sich seiner selbst und seiner Verhältnisse be­wußt ist. Als Prozeß ist Bildung: Welt- und Selbstaufklärung durch das „Än­dern der Umstände“ und „Selbstveränderung“ ineins (Marx). Diese Idee wur­de geboren in der Antike, radikalisiert in der Renaissance, leitende Utopie in der Epoche der liberalen Aufklärung – um am Ende des 19. Jahrhunderts in der Ausbildung von Menschen zu Maschinenmenschen in einer irrational-ra­tionalen Maschinengesellschaft unterzugehen. Die neueste Gestalt der Nega­tion jener Vernunft-Utopie durch den gesellschaftlichen Fetischismus ist der zur Globalisierung verallgemeinerte Neoliberalismus: die neoliberale Wis­sensgesellschaft. Die Produktionsstätte des gesellschaftlich analphabetischen Wissens der Wissensgesellschaft ist die neoliberale Universität. In ihr wird der Wissende an eine darwinistische Wettbewerbsgesellschaft angepaßt, die nur Sieger und Verlierer kennt: „Überleben des Erfolgreichen“ und „Selek­tion“ (Hayek).

Prof. Dr. Gerhard Stapelfeldt lehrte von 1979 bis 2009 am Institut für So­ziologie der Universität Hamburg. Seitdem arbeitet er als freier Schriftsteller in Hamburg.

Ein Vortrag von Dr. Gerhard Stapelgeldt (Hamburg)