Die Utopie der Bildung versprach einst, daß der Mensch durch seinen Aufstieg zur Gottesebenbildlichkeit sich selbst und seine Welt durch Vernunft zu bilden vermöchte: einem Bildhauer gleich. Bildung ist: höchste theoretische Einsicht in die Welt als Ganze, praktische Verwirklichung des Menschen als Menschen, der Gesellschaft als eines vernünftigen „Vereins freier Menschen“ – so daß der Mensch sich seiner selbst und seiner Verhältnisse bewußt ist. Als Prozeß ist Bildung: Welt- und Selbstaufklärung durch das „Ändern der Umstände“ und „Selbstveränderung“ ineins (Marx). Diese Idee wurde geboren in der Antike, radikalisiert in der Renaissance, leitende Utopie in der Epoche der liberalen Aufklärung – um am Ende des 19. Jahrhunderts in der Ausbildung von Menschen zu Maschinenmenschen in einer irrational-rationalen Maschinengesellschaft unterzugehen. Die neueste Gestalt der Negation jener Vernunft-Utopie durch den gesellschaftlichen Fetischismus ist der zur Globalisierung verallgemeinerte Neoliberalismus: die neoliberale Wissensgesellschaft. Die Produktionsstätte des gesellschaftlich analphabetischen Wissens der Wissensgesellschaft ist die neoliberale Universität. In ihr wird der Wissende an eine darwinistische Wettbewerbsgesellschaft angepaßt, die nur Sieger und Verlierer kennt: „Überleben des Erfolgreichen“ und „Selektion“ (Hayek).
Prof. Dr. Gerhard Stapelfeldt lehrte von 1979 bis 2009 am Institut für Soziologie der Universität Hamburg. Seitdem arbeitet er als freier Schriftsteller in Hamburg.