Auf den ersten Blick scheint das neueste Werk von Breillat in einem konventionelleren Rahmen stattzufinden, sowohl was die ästhetische Herangehensweise als auch die grundlegenden Motive des Films angeht. Wir befinden uns in der bürgerlichen Gesellschaft einer gehobenen Familie, bestehend aus einer Anwältin und einem Geschäftsmann mit zwei Kindern und einem Sohn aus erster Ehe. Doch was passiert, wenn sich in dieser Konstellation unerlaubte Begehren entwickeln?
Breillat stellt noch einmal, hier direkt am Subjekt selbst, die bürgerliche Konstruktion von Liebe, Begehren und Zwischenmenschlichkeit in Frage. Speziell die sich anbahnende Verbindung zwischen Stiefsohn und Stiefmutter fordert das etablierte Gerüst heraus. Am Ende sieht sich das Publikum mit dem Problem der Lüge als konstitutives Element für die Repräsentation des Bürgertums bzw. der Aufrechterhaltung desselben konfrontiert. Immer stärker verengt sich das hoffentlich nicht letzte Werk von Breillat darauf, dass alle Menschen an sich nur glauben, was sie sich wünschen, und es sich selbst bei aller Transgression weiterhin in ihren Fantasien gemütlich machen.
JE Thomberg
Gezeigt im Rahmen der Filmreihe: Catherine Breillat
Bild: © SBS Productions