Großer Hörsaal Biologie (Universität Freiburg - Biologie II/III)

Schänzlestraße 1
79104 Freiburg
Deutschland

Valeska Grisebachs Film „Western“ aus dem Jahr 2017 ist ein beeindruckendes Werk, das die Grenzen zwischen Genres und Kulturen geschickt auslotet. Die Regisseurin erzählt die Geschichte einer Gruppe deutscher Bauarbeiter:innen, die in der bulgarischen Provinz an einem Wasserkraftprojekt arbeiten. Im Zentrum steht der schweigsame Meinhard, gespielt vom Laiendarsteller Meinhard Neumann, dessen stoische Präsenz an klassische Western-Helden erinnert. Grisebach nutzt das Western-Genre als Rahmen, um Themen wie Männlichkeit, kulturelle Unterschiede und die komplexen Beziehungen innerhalb Europas zu erkunden.

Die deutschen Arbeiter:innen, die mit ihren großen Maschinen und ihrem technischen Knowhow ankommen, verkörpern unbewusst eine Art Überlegenheitsgefühl gegenüber den Einheimischen. Dies spiegelt sich symbolisch in einer Szene wider, in der die Deutschen als erstes eine deutsche Flagge aufhängen. Die Regisseurin arbeitet ausschließlich mit Laiendarsteller: innen, was dem Film eine besondere Authentizität verleiht. In einem vierjährigen Vorbereitungsprozess entwickelte Grisebach die Dialoge in enger Zusammenarbeit mit den Darsteller:innen, um eine möglichst natürliche Sprache zu finden. Dies war besonders wichtig, da die Sprachbarriere zwischen den deutschen Arbeiter:innen und den bulgarischen Dorfbewohner:innen ein zentrales Element des Films ist. „Western“ zeichnet sich durch seine präzise Beobachtung von Gesten und nonverbaler Kommunikation aus. In einer Welt, in der die Protagonisten oft die Sprache des anderen nicht verstehen, gewinnen Blicke, Körperhaltungen und Handlungen an Bedeutung.

Grisebach inszeniert diese Momente mit großer Sensibilität und schafft so eine Atmosphäre der Spannung und des gegenseitigen Misstrauens, aber auch der vorsichtigen Annäherung. Der Film reflektiert auch über die Konstruktion von Männlichkeit in homosozialen Räumen. Die Bauarbeiter:innen, fern von zu Hause und ihren gewohnten sozialen Strukturen, entwickeln eine eigene Dynamik, die von Machtspielen und dem Bedürfnis nach Selbstbehauptung geprägt ist. Meinhard, der sich dieser Gruppendynamik entzieht und Kontakt zu den Dorfbewohner:innen sucht, wird zur Projektionsfläche für verschiedene Männlichkeitsbilder.

Er lädt das Publikum ein, über Themen wie kulturelle Identität, die Nachwirkungen des Kolonialismus in Europa und die Möglichkeiten und Grenzen interkultureller Verständigung nachzudenken. Grisebachs Werk ist ein wichtiger Beitrag zum zeitgenössischen europäischen Kino, der die Komplexität menschlicher Beziehungen in einer globalisierten Welt auf eindrucksvolle Weise einfängt.

Jan Luca Lorey

Bild: © Piffl Medien GmbH

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