Großer Hörsaal Biologie (Universität Freiburg - Biologie II/III)

Schänzlestraße 1
79104 Freiburg
Deutschland

„Shahid ist jemand, der nicht mehr existiert. Jemand der tot ist. Ich will nicht mehr jemand sein, der tot ist.“ Filmemacherin Narges Kalhor läßt sich von einer Schauspielerin verkörpern. Ihren Nachnamen Shahid möchte sie loswerden und begibt sich auf eine Odyssee durch den Dschungel deutscher Bürokratie, weil der Märtyrer von damals heute ein Verbrecher ist. In ihrer autofiktionalen Dramödie zeigt Kalhor, wie schwierig es ist, sich als Frau im Patriarchat mit den Geistern der Vergangenheit zu versöhnen. In ihrem zweiten abendfüllenden Spielfilm verwebt Kalhor alte Filmaufnahmen aus dem Geflüchtetenwohnheim, in dem sie 2009 einige Monate wohnte, als sie in Deutschland Asyl beantragte, mit einem inszenierten schmerzhaften Teil ihrer Familiengeschichte. Sie überspitzt den exotisierenden Blick der weiß-deutschen Mehrheitsgesellschaft auf migrantische Frauen aus dem Orient; sie stellt Episoden in München nach, die sie an den Teil ihrer Familie erinnert, den sie ablehnt; später finden wir uns am Filmset von Shahid auf einer Metabene wieder, als sie ihre Schuldgefühle aufgrund ihres Status als „Erste-Klasse-Flüchtling“ thematisiert. Das sei auch der Grund gewesen, dass sie das Buch geschrieben hat, führt Kalhor aus. Der Vater, Berater des ehemaligen Präsidenten Ahamadinejad und somit ein Teil des repressiven Systems in Iran, habe sie 20 Jahre nicht gesehen. „Ich habe nur seinen Namen“, sagt sie im Publikumsgespräch.

Shahid ist eine genre-übergreifende, abwechslungsreiche, experimentelle, absurd-komödiantische und tragische Low-Budget-Produktion; sehr persönlich und berührend, schreiend komisch und todtraurig, femininistisch und skurril. Satirisch und mit einem Augenzwinkern besticht Kalhor mit ihrem besonderer Humor. Bei der Berlinale 2024 gewann Shahid verdientermaßen den Caligari-Filmpreis des Bundesverbandes kommunale Filmarbeit – dem Verband, in dem auch der aka Mitglied ist.

Joachim Kurz von Kino-Zeit:

„Das komplexe Gebilde, das Narges Kalhor […] spinnt, gerät schlussendlich zu einem zwar assoziativen, aber erstaunlich kohärenten Gesamtkunstwerk, wie man es so nur selten auf der Kinoleinwand sieht. Allerdings bedarf es dazu schon der Bereitschaft, sich auf den Film einzulassen, der abseits der ausgetretenen narrativen wie formalen Wege sich seinen eigenen Trampelpfad durchs Unterholz bahnt. […] Gut, dass so viel Mut und Können endlich einmal belohnt wird. Ach, wäre doch das deutsche Kino immer so wagemutig und versponnen, so ausgelassen krude und voller Spieltrieb!“

Bild: © Leonie Huber

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