Wer sich nicht bedingungslos hinter »die Ukraine« stellt, ist ein »Lumpenpazifist«, wer die NATO-Politik auch nur erwähnt, ein »Putin-Versteher«. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine breitet sich ein moralisch aufgeladenes Klima bis in radikale Kreise aus, oftmals verbunden mit dem Vorwurf des »westsplaining«: Westliche Linke, die keine der beiden Kriegsparteien unterstützen mögen, seien anmaßend, schließlich sähen die vom Angriffskrieg Betroffenen – einschließlich der Linken dort – die Lage ganz anders.
Dass die Zustände in Russland noch finsterer sind als in der Ukraine und die Angst, unter ein autoritäres Satellitenregime gezwungen zu werden, daher nur zu begründet ist, steht außer Frage. Dennoch gibt es in der Ukraine durchaus Stimmen, die sich nicht hinter den eigenen Staat stellen wollen. »Wir haben hier nichts zu verteidigen außer den Thronen der Mächtigen und den Feldern der Konzerne«, schreibt eine anarchistische Gruppe aus Charkiw. »Deshalb haben die Staatsvertreter hier eine solche Angst vor der Ausreisefreiheit: Im Militär zu dienen, um die Besitztümer der Oligarchie zu verteidigen, ist für viele Soldaten nicht an sich erstrebenswert, sondern die einzige Möglichkeit, ein Einkommen zu erzielen.«
In der Veranstaltung werden die Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft (Berlin) solchen hierzulande kaum wahrgenommenen Positionen Raum geben, die nicht zuletzt auf dem Blog Communaut dokumentiert werden. Und sie werden ausführen, warum sie es für einen Irrweg halten, wenn Linke in Ost und West für Waffenlieferungen an die Ukraine eintreten, und Hoffnung allein in den Deserteuren auf beiden Seiten und in eigenständigen Aktionen von Lohnabhängigen liegt.