Wir möchten gern interessierte Menschen jeglichen Geschlechts zu einer
gemeinsamen Biographiearbeit einladen. Dabei wollen wir uns gemeinsam
damit auseinandersetzen, was in unserem Leben eigentlich spezifisch
männlich oder weiblich abgelaufen ist und was wir daraus über
Geschlechter und vor allem uns selbst gelernt haben. Dafür werden wir
einige Fragen vorbereiten, die einen Einstieg in Gespräche zu diesem
Thema bieten können. Ihr seid herzlich eingeladen, eigene Fragen oder
andere Methoden mitzubringen, die so einen Austausch ermöglichen. Die
Vorbereitungsgruppe möchte ein Angebot und einen Raum für Austausch
schaffen, diesen Raum aber nicht bestimmen. Wir sind auch keine Experten
für Männlichkeiten und den kritischen Umgang damit, sondern möchten
gemeinsam mit anderen Menschen Wege in eine kritische Auseinandersetzung
ausprobieren.
Organisiert wird das Treffen von einer kleinen Gruppe männlicher
Personen, die sich seit etwa einem Jahr treffen, um sich kritisch mit
(ihren) Männlichkeiten zu beschäftigen. Im Juni gab es bereits ein
erstes öffentliches Treffen, in dem verschiedene Methoden gemeinsam
ausprobiert wurden. Hier wurde auch der Wunsch geäußert, sich weiterhin
gemeinsam kritisch mit (den eigenen) Männlichkeiten auseinanderzusetzen.
Wir glauben, dass es wichtig ist, dass sich auch Männer mit ihrer
Geschlechterrolle und den darin steckenden Privilegien und
Einschränkungen auseinandersetzen. Dies zu ignorieren scheint uns eins
der männlichen Privilegien zu sein. Wir möchten also insbesonders Männer
einladen, diese bequeme Haltung aufzugeben. Wir denken auch, dass es für
einen kritischen Blick auf Männlichkeiten sehr hilfreich ist, Menschen
mit einzubeziehen, die keine Männer sind. Also heißen wir auch alle
nicht männlichen Personen ganz herzlich willkommen.
Hier noch ein paar unserer Gedanken zum Thema Männlichkeiten und
Geschlechterverhältnis:
"Jetzt sei doch mal ein Mann!". Wie oft hast du das schon gehört? Wie
oft schon gesagt? Es scheint klar zu sein, was als männlich gilt, und
was nicht. Oft geht es darum, keine Gefühle oder Schwäche zu zeigen,
körperlich fit und dominant aufzutreten, ständig und natürlich
heterosexuell Lust auf Sex zu haben und dieses Bild einer angeblich
idealen Männlichkeit normal zu finden. Das baut einen gehörigen Druck
auf Männer* auf, die diesem Bild nicht entsprechen können oder wollen.
Schwule Männer oder jene, die als schwach oder weich abgewertet werden,
bekommen dies oft zu spüren. Aber wahrscheinlich kann sich jeder Mann*
an eine Situation erinnern, in der er sich mit den Anforderungen jetzt
"ein richtiger Mann sein" zu müssen, unwohl und eingeschränkt gefühlt
hat.
Aber der Druck solcher Vorstellungen von Männlichkeit richtet sich nicht
nur gegen Männer. Diese sollen ihre Dominanz nämlich vor allem "dem
anderen" Geschlecht gegenüber zur Geltung bringen, was unterschiedliche
Arten von Gewalt produziert. Dass es mehr als zwei Geschlechter gibt,
wird dabei außer acht gelassen. Und auch, dass es scheiße ist, sich im
Alltag ständig mit dominanten Typen auseinandersetzen zu müssen.
Die Entwicklung zum Mann beginnt schon früh und läuft unterschwellig ab,
ohne dass wir uns ihrer bewusst sind. Ein Ziel des Treffens ist es,
diese unterschwellige und persönliche Entwicklung auszugraben. Aber es
geht auch darum, die vorherrschende Männlichkeit, vor allem im Hinblick
auf Sexismus, anzuprangern. Machen wir endlich Schluss damit, Menschen
in Schubladen zu stecken. Am Anfang steht das Hinterfragen - Nieder mit
der starren Männlichkeit!
Die Feststellung, dass auch Männer mit den Anforderungen der
Geschlechterordnung zu kämpfen haben, soll keineswegs die Unterdrückung
und Gewalt verharmlosen, mit der sich Frauen, Trans-, Inter-, queere
oder anders diskriminierte Personen auseinandersetzen müssen. Diese
Gewalt geht nur zu oft von Männern und Männlichkeit aus. Doch gerade
deshalb finden wir es wichtig, dass sich auch Männer mit Feminismus
beschäftigen und ihr Geschlecht kritisch betrachten. Wir finden, dass
Unterdrückung von allen Seiten aus angegriffen gehört und wollen die
Verantwortung für eine Umgestaltung der Geschlechterverhältnisse nicht
wieder auf diejenigen abwälzen, die am stärksten mit ihnen zu kämpfen
haben. Alle Menschen sind von Geschlecht betroffen - lasst uns also alle
überlegen, was wir jeweils tun können, damit keine*r mehr darunter
leiden muss!