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Großer Hörsaal Biologie (Universität Freiburg - Biologie II/III)

Schänzlestraße 1
79104 Freiburg
Deutschland

"Die junge und unerfahrene Schauspielerin Ela aus Berlin erhält ihre erste Hauptrolle als 'Lulu' in der neuen Theaterproduktion des bedeutenden Regisseurs Franz Kramer. Das Projekt ist eine große Chance für Ela, und der Leistungsdruck unter den anderen bekannten Schauspieler:innen ist enorm. Kramer verkauft das Stück als feministisches Stück, auch wenn das Team überwiegend aus Männern besteht. Bald schon gehen Ela und ihre weibliche Perspektive auf die Rolle verloren. Die Situation spitzt sich zu, als sie von Kramer sexuell belästigt wird. Ela versucht, sich zu wehren, Grenzen zu ziehen und gleichzeitig 'Lulu' als selbstbewusste Figur aufzubauen. Das wird aber nur möglich sein, wenn sie die gleichen Schritte der Selbstermächtigung auch in ihrem wirklichen Leben geht." (Beschreibung des Filmfestival Max Ophüls Preis FFMOP 2022)

Eine wackelige Handkamera; schlechte Beleuchtung; ein Setting, das aussieht, als hätte das Filmteam im lokalen Autonomen Zentrum gedreht: Ladybitch von Paula Knüpling und Marina Prados ist eine No Budget Produktion im Dokustyle, die sich mit Machtmißbrauch und Sexismus in der Theaterbranche
auseinandersetzt. Da die beiden Regisseur*innen in ihrem Erstlingswerk eigene schmerzhafte Erfahrungen verarbeiten, zeichnen sie den Charakter des männlichen Protagnisten durchaus überspitzt. Marina Prados sagt dazu: „Für uns ist es Comedy, wir wollten kein komplettes Drama. Wir brauchen auch ein bißchen Lachen als Therapie.“ Wir als Publikum fühlen uns beim Zuschauen zeitweise durch die intime Kameraführung als heimliche Beobachter*innen der allzu offensichtlichen Übergriffe des renommierten Regisseurs. Auch Andere beobachten seine Zudringlichkeit - wirklich hinsehen tut niemensch. Wir sind so nah dran am Geschehen, dass die Atmosphäre fühlbar immer beklemmender wird. Die Mikroaggressionen häufen sich, bis sich alles im Finale entlädt...

Das Regieduo stellt unter Anderem die Frage: Was darf die Kunst? Damit legt Ladybitch ebenso wie The Case You, der ein Jahr zuvor auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken und 2022 auch bei uns im aka zu sehen war und sich mit sexualisierter Gewalt beim Film auseinandersetzt, den Finger in die Wunde: Über Sexismen in der Film- und Theaterbranche wurde lange nicht, in den letzten Jahren aber dafür umso mehr gesprochen. Denn obwohl der Regisseur im Film diese Dinge scheinbar auf dem Schirm hat, wird alles immer schlimmer und wir fragen uns: Wann sagt Ela endlich „nein“ zu seinen Anweisungen? Mit seinem Verhalten betreibe er, führt Paula Knüpling im Gespräch mit dem SR aus, sogenanntes „Pinkwashing“, indem er sich damit schmücke, über ein Thema zu sprechen, das gerade Trend ist. Wirklich befassen mit der Problematik und seine eigene Rolle reflektieren tut er nicht. Damit trage er das Machtgefälle in der eigenen Arbeit weiter. Alles bleibt beim Alten. 

Das Ende – wenn auch meiner Ansicht nach etwas einfallslos – ist ein Befreiungsschlag. 

Marina Prados und Paula Knüpling gründete 2021 die Produktionsfirma Ladybitches Productions, finanzierten und vermarkteten ihren Film von vorne bis hinten selbst ohne jegliche Förderung, stemmten auch den Verleih, da "keiner uns wollte", wie sie im Gespräch ausführten. Ladybitch sahnte bei diversen Festivals verschiedene Preise ab, u.a. den Preis für den gesellschaftlich relevanten Film vom FFMOP 2022 und den Preis für den besten Film und die beste Darsteller*in.

Die beiden sagen 2022 beim Ophüls Festival über den Film: „Unser autobiografisches Regiedebüt versucht, ein Licht auf die Grauzonen des Missbrauchs zu werfen, die oft übersehen werden, aber nicht weniger schmerzhaft oder zerstörerisch sind. Wir sind in der Theater- und Filmbranche aufgewachsen und haben dort unser Selbstverständnis entwickelt. Beide haben wir im Laufe der Jahre verschiedene Formen des persönlichen und systembedingten Missbrauchs erlebt. Im Jahr 2021 fand Marina die Kraft, mit ihrem Missbrauchsfall an die Öffentlichkeit zu gehen, was der Auslöser für den Schreibprozess zu LADYBITCH war.

Wir wollten keine Geschichte von Gut gegen Böse erzählen. Um unsere Erfahrungen mit Missbrauch zu verstehen, wollten wir stereotype Charaktere aufbrechen und komplizierte Situationen schaffen. Gleichzeitig sollte eine klare Linie in Hinsicht auf Einverständnis gezogen werden. Außerdem wollten wir nicht, dass sich die Darstellung von LGBTQ ausschließlich um den Kampf der queeren Charaktere mit ihrer Identität drehen. Wir wollen sinnvolle, ehrliche und vielfältige Geschichten feiern. Vor allem ist es ein sicherer Raum, um zu reden, zu heilen und uns, die Überlebenden, zu stärken.“  

Meike Bischoff

Am 07.März zeigt der aka-Filmclub im Großen Hörsaal der Biologie anlässlich des Internationalen feministischen Kampftags "Ladybitch"
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