Veranstalter: Archiv Soziale Bewegungen, Grethergelände, Buchhandlung jos fritz
Jens Beckmann, geb. 1982, studierte Politikwissenschaft und Neuere/Neueste Geschichte in Marburg. Am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam schrieb er seine Doktorarbeit zu LIP in einem Projekt über selbstverwaltete Industrieunternehmen. Er forscht zu französischer und deutscher Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Als die Arbeiter/-innen Uhrenfabrik LIP in Besançon 1973 ihr Betriebsgelände besetzten, hallte ihr Slogan durch Frankreich und über die Grenze: „On fabrique, on vend, on se paie!“ Vom Konkursverwalter um ihre Löhne gebracht, schafften sie einen großen Vorrat an Armbanduhren beiseite, produzierten und verkauften auf eigene Faust. Selbstverwaltung war das Wort der Stunde. Die Gründung einer Produktionsgenossenschaft lehnten die Beteiligten unter anderem aufgrund des akuten Kapitalbedarfs von LIP ab. Wenig später entstanden in Frankreich Routinen für Unternehmensabwicklungen: Sozialpläne, Fonds zur industriellen Restrukturierung, Umschulungen. Auch Genossenschaftsgründungen wurden zunehmend zu einem pragmatischen Mittel der Jobsicherung. Nachdem LIP 1976 das zweite Mal in Konkurs gegangen war, gründeten die Arbeiterinnen und Arbeiter im Anschluss an eine abermalige, lange Betriebsbesetzung mehrere Produktionsgenossenschaften. Im Vortrag und anhand von Filmausschnitten wird gezeigt, welche Vorstellungen von Selbstverwaltung sie in ihrem langen Kampf um Arbeitsplätze entwickelten und wie diese in den neuen Betriebsalltag Einzug hielten. Zwar gaben sich einige Unterstützer einem neuen Management-Enthusiasmus hin, andere entwickelten übersteigerte Gemeinschaftsansprüche. Dem Selbstvertrauen vieler Beteiligter konnte dies jedoch nichts anhaben.