Racial profiling?! Was ist das?
Wer kennt das nicht? Nach einer überfüllten Bahnfahrt stehen Polizist*innen am Bahnsteig, die Personen kontrollieren. Wer wird hier eigentlich warum kontrolliert? Die Personen sind oft sichtbare Minderheiten – People of Color, Schwarze Menschen und andere, die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung kontrolliert werden. Als angebliche Kriminelle werden die Betroffenen von der Polizei schikaniert und aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Menschen aufgrund ihres Aussehens ohne einen konkreten Verdacht zu kontrollieren, wird racial profiling (rassistische Profilbildung) genannt. Dieses Handeln von Polizei und anderen Sicherheitsbehörden ist in Deutschland verboten.
Macht meine Freund*innen nicht an!
Die Polizei versucht, verdachtsunabhängigen Kontrollen durch Sonderbefugnisse eine gesetzliche Grundlage zu geben. Dafür bestimmt sie sogenannte „Kriminalitätsschwerpunkte“, wie sie in Baden-Württemberg genannt werden. An solchen Orten ist es Polizist*innen erlaubt, unabhängig von einem Straftatverdacht Menschen zu stoppen, zu kontrollieren, ihre Identität festzustellen, sie und ihre Sachen zu durchsuchen (§ 26 Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 3, § 30 Nr. 4 PolG-BW). Die Polizei darf zudem Videoüberwachung zum Einsatz bringen (§ 21 Abs. 3 PolG-BW).
All das geschieht im Namen einer vermeintlichen Sicherheit. Die Idee dahinter ist, dass Kriminalität in stark besuchten öffentlichen Räumen im Vorhinein verhindert werde könnte, indem vermehrt Personen kontrolliert werden. Zu diesen Orten gehören in Freiburg der Stühlinger Kirchplatz, der Colombipark und Teile der Altstadt („Bermudadreieck“).
In das Raster der Polizei fallen vor allem Menschen, die einem sogenannten „Täterprofil“ entsprechen: Oft ist dies vermeintlich „nicht deutsch“, männlich, jung oder „hat wenig Geld in der Tasche“. Menschen, auf die solche Beschreibungen zutreffen, laufen Gefahr, auf dem Weg zur Arbeit, zur Uni, zu Freund*innen oder beim gemeinsamen Zusammensitzen anlasslos kontrolliert zu werden. Diese Kontrollen sind mit psychischer Belastung, körperlichen Angriffen, stigmatisierenden Blicken und Zeitverlust verbunden. Den Betroffenen wird deutlich gemacht, dass sie an diesen Orten unerwünscht sind, nicht einer angeblichen „deutschen“ Norm entsprächen. Sie werden stetig beobachtet und unter Generalverdacht gestellt.
Das ist rassistische Gewalt!
Polizist*innen müssen dabei nicht offenlegen, wen sie warum kontrollieren. Sie lassen sich, wie sie sagen, von „Lageerkenntnissen“ und „Erfahrungswissen“ leiten. Beides müssen sie weder der Öffentlichkeit noch dem Parlament erklären. So können sie willkürlich entscheiden. Dies öffnet Tür und Tor für rassistische Polizeimaßnahmen.
Überall Polizei – Nirgendwo Gerechtigkeit!
Kriminalität wird dadurch nicht unterbunden, sondern verlagert sich allenfalls. Es gleicht einer selbsterfüllenden Prophezeiung, wenn die Polizei durch die Einstufung eines Ortes als „Kriminalitätsschwerpunkt“ dort mehr Präsenz zeigt und dadurch automatisch mehr Personen kontrolliert. Es ist die Vielzahl an Kontrollen, die einen Ort „gefährlich“ macht. Für die „Bekämpfung“ von Kriminalität sind die Kontrollen schlicht überflüssig.
Statt personenbezogene Ermittlungen durchzuführen, werden verdachtslos, also eigentlich zufällig, Personen diesen erniedrigenden Kontrollen unterzogen und damit diskriminiert, da sie als potentielle Kriminelle gebrandmarkt werden. Kameraüberwachung, Security-Unternehmen und die bauliche Umgestaltung von Plätzen dienen dazu, ein Gefühl nach Sicherheit zu befriedigen.
Verdrängt werden jedoch nicht einfach „Kriminelle“, sondern in erster Linie Menschen, die von racial profiling betroffen sind. Wer im Alltag ständig Gefahr läuft, kontrolliert zu werden, meidet diese Orte. Personen, die nicht in das Bild einer „ordentlichen, sauberen und einheitlichen Stadt“ passen, werden damit aus öffentlichen Räumen stückweise verdrängt. Damit ist racial profiling auch Bestandteil von Gentrifizierung. Gebiete, die für Immobilienspekulant*innen und Gewerbetreibende bisher wenig rentabel sind, sollen attraktiv gemacht werden.
Wer kontrolliert hier eigentlich wen?
Dass racial profiling geleugnet wird, ist nicht verwunderlich. Gerade in Zeiten von Anti-Terror-Politik, Pegida, AfD und Co. werden diese rassistischen Maßnahmen akzeptiert und eingefordert. Dabei können viele keine echten Gründe, sondern nur unbestimmte Ängste vor „Fremden“ ins Feld führen.
Eine demokratische und kritische Auseinandersetzung wird von Politik und Behörden aktiv verhindert. Den Betroffenen wird zwar theoretisch die Möglichkeit gegeben, sich vor Gericht gegen die eigene Kontrolle zu wehren. Doch praktisch wird nicht ernsthaft ermittelt, denn die Polizei haut die eigenen Kolleg*innen nicht in die Pfanne. So haben am Ende nur wenige die Nerven, die Zeit und das Geld, vor Gericht zu gehen, um nach mehreren Monaten oder Jahren vielleicht erwiesen zu bekommen, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt hat. In der Zwischenzeit gehen die rassistischen Kontrollen weiter.
Abschaffung der Sonderbefugnisse!
Mit dieser rassistischen Praxis darf es nicht weitergehen! Daher fordern wir, der Polizei die Sonderbefugnisse aus den Händen zu nehmen. Die „Kriminalitätsschwerpunkte“ sollen unverzüglich abgeschafft werden! Die Diskriminierung von People of Color und allen, die von menschenverachtenden Polizeikontrollen betroffen sind, muss aufhören.
Daher: keine Sonderbefugnisse für die Polizei!
Zeigen wir aktive Solidarität mit den Betroffenen rassistischer Kontrollen.
Wo andere von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wehren wir uns gemeinsam.
Ban racial profiling!
Unterstützende Gruppen:
Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Freiburg
Arbeitskreis kritische soziale Arbeit Freiburg
Datenschutzreferat der Studierendenvertretung der Uni Freiburg
Freie Arbeiter*innen Union Freiburg
SDS Freiburg
Sozialreferat der Studierendenvertretung der Uni Freiburg