Platz d. alten Synag

Seit mehr als einem Jahr gibt es kein Lebenszeichen von Abdullah Öcalan.
Seit Tagen kursieren in den türkischen Medien Meldungen, wonach Abdullah Öcalan im Gefängnis ums Leben gekommen sein soll. Diese Meldungen sind für Kurd*innen in aller Welt mehr als Grund zur Besorgnis. Sollte Abdullah Öcalan tatsächlich etwas zugestoßen sein, ist hierfür alleine die AKP verantwortlich. Sie fordern, dass den Familienangehörigen und Anwälten Öcalans sofortiger Zutritt zur Gefängnisinsel Imrali gewährt wird, um für Klarheit über seine Situation zu sorgen.
Um ihrer Sorge Ausdruck zu verleihen, versammelten sich daher heute ca. 40 Menschen auf dem Rathausplatz, morgen wird aus gleichem Anlass um 18h eine Demonstration vom Platz der alten Synagoge ausgehen. In verschiedenen Reden wurde zudem auch auf die aktuelle Situation in Südkurdistan/Nordirak eingegangen: Irakisches Militär marschiert derzeit gegen Kirkuk, eine mehrheitlich kurdisch bewohnte Stadt, es besteht die akute Sorge, dass es zu einem weiteren Krieg kommen wird, wenn die irakische Regierung weiterhin auf Waffengewalt statt auf Verhandlungen setzt.

Öcalan ist seit vielen Jahren der wohl bekannteste Vertreter des Kampfes der Kurdinnen und Kurden für ihre Rechte auf Selbstbestimmung und Autonomie. 1999 wurde er aus Kenia in die Türkei verschleppt und dort inhaftiert. Während seiner Haft schrieb er zahlreiche Bücher, in denen er sich für eine Demokratisierung der Türkei und den Frieden in der gesamten Region einsetzt. Unter den Bedingungen der andauernden Isolationshaft entwickelte er das Modell des Demokratischen Konföderalismus. Ein Modell welches eine Art der politischen Selbstverwaltung darstellt, bei der sich alle Gruppen der Gesellschaft und alle kulturellen Identitäten auf regionalen Treffen, allgemeinen Versammlungen und in Räten äußern können. Dieses Demokratieverständnis eröffnet die aktive politische Teilhabe für alle Gesellschaftsschichten unabhängig ihrer religiösen, ethnischen Herkunft oder ihres Geschlechtes. Öcalan ist seit fast 20 Jahren in Isolationshaft auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer, mehr als zehn Jahre davon als einziger Häftling. Von dort aus initiierte er zahlreiche einseitige Waffenstillstände und unterbreitete konstruktive Lösungsvorschläge. Zwischen 2012 und 2015 führte die AKP-Regierung Verhandlungen mit ihm. Öcalan schlug in diesen Verhandlungen einen schrittweisen Friedensplan vor: Diese reichten von vertrauensbildenden Maßnahmen über einen Waffenstillstand unter internationaler Beobachtung bis hin zu einer dauerhaften politischen Lösung der kurdischen Frage. Erdogan brach die fast erfolgreich beendeten Verhandlungen von Dolmabahçe im April 2015 ab. Seine Regierung ist auch aus machtpolitischen Gründen für die neuerliche Eskalation des Konfliktes in Nordkurdistan verantwortlich - die Haftbedingungen für Öcalan sind seitdem weiter verschärft worden, ein direkter Kontakt ist seit Juli 2015 nicht mehr vorhanden. Am 4. Januar 2016 wurden zwei der fünf Gefangenen auf Imrali ohne Benachrichtigung der Familien oder Anwälten auf das Festland verlegt. Es ist nicht möglich mit diesen in Kontakt zu treten. Der Putschversuch im Juli 2016 verschärfte wiederholt die Situation und es war von einem Angriff auf Öcalan die Rede. Das letzte Lebenszeichen von Abdullah Öcalan war im September 2016 durch den Besuch seines Bruders Mehmet Öcalan. Die Geschichte hat gezeigt, dass die kurdische Frage nicht militärisch gelöst werden kann. Zermürbungskriege und Genozide des türkischen Staates haben niemals funktioniert, sondern stets nach hinten losgegangen. Die Türkei sollte kein Feuer entfachen, das sie nicht löschen kann. Daher müssen die Gespräche für eine politische Lösung des Konfliktes wieder aufgenommen werden, und zwar auf Augenhöhe. Somit fordern wir die sofortige Freiheit für Abdullah Öcalan, denn um die tiefe Krise im Mittleren Osten und die Diktatur in der Türkei zu überwinden, ist Öcalans Stimme für Frieden und Demokratie nötiger denn je. Seinen Einsatz für den Frieden im Mittleren Osten kann Abdullah Öcalan nur in Freiheit fortführen. Wir wiederholen deshalb nochmals unsere Forderung, die bereits von mehr als 10Millionen Menschen in einer weltweiten Unterschriftenkampagne unterzeichnet wurde: »Freiheit für Abdullah Öcalan – Frieden in Kurdistan«!

Demo gegen die Isolation Öcalans und den aktuellen Geschehnissen in Kirkuk