Werner Scholem (1895-1940) wird heute meist verbunden mit seinem Bruder Gershom, Benjamin-Herausgeber, Erneuerer der Judaistik und Experte zur jüdischen Mystik. In den 1920er Jahren war jedoch Werner Scholem als Reichstagsabgeordneter der KPD weitaus bekannter. Beide Brüder verband eine gemeinsame Geschichte der Rebellion - sie wehrten sich gegen den autoritären Vater, und radikalisierten sich in Konfrontation mit dem Antisemitismus der Mehrheitsgesellschaft. Werner brachte seinem Bruder mit der Gruppe „Jung Juda“ den Zionismus nahe, wandte sich jedoch bald ab von dieser Idee und schloss sich der „Sozialistischen Arbeiterjugend“ an. Als Soldaten wider Willen in den Jahren 1916-1918 kamen sich Gershom und Werner Scholem noch einmal näher und diskutierten über Judenstaat und Revolution.
Als die Revolution jedoch im November 1918 in Deutschland von der Utopie zur Wirklichkeit wurde, trennten sich die Wege – Werner begann eine Laufbahn als sozialistischer Politiker und wurde später Organisationsleiter der KPD, während Gershom 1923 Deutschland verliess und nach Jerusalem auswanderte.
Mit dem 20-minütigen Kurzfilm “Von der Utopie zur Gegenrevolution” (https://www.youtube.com/watch?v=TQv-ieP7D2k) von Niels Bolbrinker wird die bisher wenig bekannte Biographie Werner Scholems vorgestellt, bevor dann der Historiker Ralf Hoffrogge in einem Vortrag die Debatten der Gebrüder Scholem zwischen Zionismus & Sozialismus 1914-1919 näher beleuchtet.
Referent: Ralf Hoffrogge, Autor von “Werner Scholem – eine politische Biographie” (UVK 2014)