Aktuell überschlagen sich die Ereignisse in Kurdistan -
Seit knapp zwei Wochen greift das türkische Militär in enger Zusammenarbeit mit einer Reihe von islamistischen Gruppierungen kurdische Dörfer und die Selbstverteidigungseinheiten der syrisch-demokratischen Allianz (SDF) in Nordsyrien an. Der Angriff wird sowohl von den NATO Staaten als auch dem Iran und Russland unterstützt bzw. toleriert. Selbst das syrische Assad-Regime äußerte sich angesichts der Vorfälle sehr verhalten. Die zahlreichen Besuche und Annäherungen zwischen Regierungsbeteiligten der Türkei, Syriens, Irans, Südkurdistans, Russlands und der USA kurz vor dem Einmarsch lassen eine interne Absprache im Vorfeld vermuten.
Im Vorhaben den Mittleren Osten neu zu strukturieren, unterstützen die globalen Großmächte, allen voran die USA, wechselnde teilweise miteinander konkurrierende Gruppierungen in der Region. Dabei geht es weder um eine Befriedung der Region noch um die Stärkung emanzipativer Kräfte, sondern ausschließlich um den Ausbau von Einfluss, Macht und die Durchsetzung eigener Interessen. Dies zeigt sich auf tragische Weise erneut in den letzten Tagen. Während die USA die kurdischen Selbstverteidigungskräfte YPG/YPJ bisher als nützliche Bodentruppen im Kampf gegen den Islamischen Staat genutzt und unterstützt hat, verhandelte sie gleichzeitig mit der Türkei über die Besetzung von Gebieten in Nordsyrien, mit denen sich die Türkei gegen die Ausweitung der demokratischen Selbstverwaltung richtet und gab letztendlich grünes Licht für den türkischen Einmarsch und die damit einhergehenden Angriffe auf die kurdischen Selbstverteidigungskräfte.
Auch ein Blick auf die Verbündeten, mit denen das türkische Militär in Nordsyrien kämpft, lässt kaum Interpretationsspielraum über die Interessen Ankaras zu: Neben der Al-Qaida-nahen „Ahrar Al-Scham“ und den rechten turkmenischen „Sultan-Murad-Brigaden“ kämpft auch die islamistische Miliz „Harka Nur Al-Din Al-Senki“ an der Seite des türkischen Militärs, die vor kurzem weltweit bekannt wurde, weil ihre Mitglieder vor laufender Kamera ein zwölfjähriges Kind enthaupteten. Den überwiegenden Teil der Fußsoldaten Ankaras eint ein enges Verhältnis zur türkischen AKP-Regierung sowie der Wunsch, in Syrien einen islamischen Staat auf Grundlage der Scharia zu errichten. Die militärische, logistische und finanzielle Unterstützung islamistischer Gruppierungen in Syrien durch die türkische Regierung ist inzwischen gut belegt.
Auch die Repression gegen Kurd*innen in der Türkei kennt keine Pause:
Vor zwei Tagen wurden die beiden Co-Bürgermeister der kurdischen Metropole Amed (Diyarbakir) Gültan Kışanak und Fırat Anlı in den Abendstunden festgenommen.Die Privatwohnungen der beiden Festgenommenen wurden von der Polizei durchsucht. Auch das Gebäude der Stadtverwaltung wurde von der Polizei gestürmt und durchsucht.
Derzeit geht die regierende AKP massiv gegen die kurdischen Stadtverwaltungen vor. In insgesamt 25 von den 97 Kommunen, in den die BDP 2014 gewählt wurde, wurden die Bürgermeister auf Grundlage des Ausnahmezustandsgesetzes in der Türkei abgesetzt. Die Kommunen wurden anschließend unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Festnahmen von Kışanak und Anlı stellen den vorläufigen Höhepunkt der Repressionen des türkischen Staates dar.
Für die Bundesregierung jedoch alles kein Problem. Nur wenige Tage vor der Bombadierung kurdischer Dörfer durch das türkische Militär, bei der über 25 Zivilist*innen ihr Leben verloren haben, betonte Merkel in einem Interview erneut, wie wichtig die Partnerschaft zur Türkei sei und wie bedeutend deren große Leistung bei der Lösung der humanitären Katastrophe im Nachbarland Syrien. Zynischer geht es kaum. Nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in Nordsyrien ließ die Bundesregierung verlautbaren, dass sie den Einmarsch unterstütze und „dass es das legitime Recht der Türkei ist, gegen diese terroristischen Umtriebe vorzugehen.“
Wir fordern:
- Freilassung der Ko-Bürgermeister der Stadt Diyarbakir sowie aller Festgenommenen BürgermeisterInnen in den kurdischen Gebieten der Türkei!
- Beendigung der Repressionen gegen die HDP und der weiteren Opposition in der Türkei!
- Schluss mit dem Krieg in Kurdistan!
- Die militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit der BRD mit der totalitären Türkei stoppen