Bei dem Stichwort Religionskritik fällt meist der Name Ludwig Feuerbachs und die berühmte Wendung von der Religion als „Opium für das Volk“ die fälschlicherweise Karl Marx zugeschrieben wird. Es ist Anliegen dieses Vortrages, zu zeigen, dass die Kritiken von Feuerbach und Marx weitaus komplexer sind, als die religionskritische Verschlagwortung zunächst suggeriert.
Sowohl Feuerbach als auch Marx treten nicht an, um Religion einseitig der Unwahrheit zu bezichtigen. Vielmehr legt Feuerbach durch seine Religionskritik implizit ein Potential von Religion frei, das zum verschwiegenen Kern seiner eigenen Kritik der Religion wird. Auch Marx schließt an dieses Potential an und macht es zum versteckten Zentrum seiner materialistischen Religions-, und Idealismuskritik.
Für die beiden prominenten Religionskritiker gibt es eine Wahrheit der Religion, die in ihrer Kritik nicht verloren gehen darf. Dadurch lässt sich nicht nur die These vertreten, dass jede echte Kritik der Religion auch der Wahrheit von Religion Rechnung tragen muss, sondern auch, dass sich Religion erst in solcher Kritik wirklich bewahrheitet. Damit eröffnet sich ein komplexes Spannungsfeld von Religion und ihrer Kritik, in dem keine von beiden simplen Vorrang beanspruchen darf.