mit Mirko Olostiak
Anstaltspsychiatrie, Zwangsjacken, Elektroschock sind Begriffe, die einer dunklen, scheinbar überwundenen Vergangenheit der Psychiatrie zugeschrieben werden. Dass der Elektroschock unter der Bezeichnung EKT (Elektrokrampftherapie) seit einigen Jahren zunehmend wieder eingesetzt wird, dass die Zwangsjacken lediglich durch chemische "Ruhigstellung" abgelöst wurden, und dass Zwangsmaßnahmen und -Behandlungen weiterhin an der Tagesordnung sind, ist vielen Menschen nicht wirklich bewußt. Vor 40 Jahren sollte mit der Psychiatrie-Enquete eine tiefgreifende Reform der Psychiatrie auf den Weg gebracht werden - an den fragwürdigen Grundlagen des psychiatrischen Menschenbildes hat sich jedoch kaum etwas geändert. Das Konzept der "psychischen Erkrankungen wird kaum hinterfragt.
Dabei werden immer mehr Menschen psychiatrisch behandelt. Die Zahl der Krankschreibungen und Früh-Berentungen aufgrund psychiatrischer Diagnosen und auch die Verschreibung von Psychopharmaka haben Rekordniveau erreicht. Im Geschäft mit der Psyche werden Milliardenumsätze erzielt. Worüber jedoch kaum jemand spricht: Über 10.000 Menschen kommen jährlich allein in Deutschland im Zusammenhang mit psychiatrischer Behandlung ums Leben. Die Langzeitbehandlung mit Neuroleptika (im psychiatrischen Neusprech auch "Antipsychotika" genannt) führt zu einer Verkürzung der Lebenserwartung um durschnittlich 25 bis 32 Jahre. Zunehmend werden auch Kinder und Jugendliche zu psychiatrischen Patienten - häufig wegen Problemen, die im Zusammenhang mit der Schule entstehen.
Welchen Sinn hat es aber, unangepasstes oder störendes Verhalten als "krank" zu bezeichnen? Warum werden Menschen pathologisiert, die dem zunehmenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Druck nicht standhalten? Warum werden immer wieder neue "psychische Krankheiten" erfunden? Wem nützt die Psychiatrie? Und welche Alternativen gäbe es?
Mirko Olostiak ist aktiv im Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener
und setzt sich für die Abschaffung der Zwangspsychiatrie
und für die Umsetzung echter Alternativen zur Psychiatrie ein.