Der Kulturrelativismus, die angebliche Vielfalt der Identitäten ebenso wie das Geschwätz der Postmoderne insgesamt geht den Protagonisten dieser „Diskurse“ mittlerweile selbst „auf den Geist“. Diese Aversion gegen das poststrukturale Geplapper ist allerdings kein Ausdruck gewonnener kritischer Distanz, sondern nur dessen, dass die Heideggerei in der Nachfolge Foucaults ihre Sprachcodes mittlerweile hinter sich lassen kann, weil sie allseits verinnerlicht worden ist. Indiz dafür ist, dass das „rote Tuch“, gegen das sich der Poststrukturalismus von Beginn an ausrichtete, der Freiheitsbegriff Sartres, weiterhin in der Versenkung gehalten wird und werden soll. Nicht, dass Sartre außerhalb der Kritik zu stehen habe, nur weil er der erklärte Feind der Strukturalisten ist. Die in allen Auseinandersetzungen mit Sartre bisher offen gebliebene Frage ist nur, was an seiner Fassung von Freiheit denn falsch ist. Stellt man die Frage so, dann kann die Antwort nur lauten: Daran ist rein gar nichts falsch. Nur an Sartres Philosophie insgesamt kann kritisiert werden, dass sie einen, wenn auch „einzig“ an einen kategorischen Imperativ zu bindenden Begriff von Vernunft nicht kennt. Gegen Sartre muss also hervorgehoben werden, dass seine Ontologie der Existenz, so überlegen sie jeder Art von Strukturalismus auch ist, keinen Vernunftbegriff erlaubt, dessen Verwirklichung von jeder Subjekt-Objekt-, oder Freiheitsphilosophie autonom zu sein, d. h. alle Souveränität auf sich zu vereinen hätte. Gewinnen lässt sich ein solcher Vernunftbegriff nur in der Kritik an der Kapitalsouveränität – und den deutschen Versuchen, gegen sie einen Gegensouverän aufzubauen, gleichermaßen. Da Sartres Philosophie noch nicht einmal einen Begriff von negativer, kapitaler Souveränität zu erkennen erlaubt, muss sie zum Gegenstand der Kritik werden: einer Kritik allerdings, die erkennen lässt, dass der Souveränitätsbegriff – besonders in seinem Verhältnis zur Freiheit – auch in der kritischen Theorie noch längst nicht als geklärt gelten kann.
Tagesseminar mit Manfred Dahlmann (Wien).