Die Marktwirtschaft hält viele Lebensrisiken bereit:
• Man kann krank werden und benötigt eine teure Behandlung. Wenn es ganz schlimm kommt, kann man auf Dauer nicht mehr arbeiten.
• Der Arbeitgeber kann entscheiden, dass ein Teil der Belegschaft für das Geschäft nicht mehr benötigt wird. Die Freude der Betroffenen über das Ende der Plackerei hält sich sehr in Grenzen, weil mit der Arbeit auch das Einkommen wegfällt.
• Wer alt genug wird, scheidet endgültig aus dem Arbeitsleben aus. Auch das ist zunächst der Verlust der Einkommensquelle.
All diese Wechselfälle des marktwirtschaftlichen Erwerbslebens sind sattsam bekannt und grundsätzlich kann kein Durchschnittsbürger davon ausgehen, von ihnen verschont zu bleiben. Genauso ist jedem klar, dass der Geldertrag eines normalen Erwerbslebens praktisch nie ausreicht, um solche Notlagen aus eigenen Ersparnissen zu bewältigen.
In den oben beschriebenen Lebenslagen gibt es für die Betroffenen staatliche Unterstützung. Das hat dem Staat den Ruf eingebracht, ein Helfer für arme Leute zu sein. Kritik an den Leistungen des Sozialstaates bleibt aber nicht aus.
Linksgestimmte Leute bemängeln, dass die Leistungen zu knapp und an zu harte Voraussetzungen geknüpft sind. Gerne würde man die Leistungen ausweiten, stößt aber – einmal an der Regierung – immerzu an die Grenzen, die die staatliche Kassenlage solchen Vorhaben setzt.
Dem gegenüber wird die Position vertreten, dass die "sozialen Wohltaten“ des Staates arme Leute bloß dazu verleiten, es sich in ihrer Armut einzurichten. Ganz davon abgesehen, dass in Zeiten der Haushaltskonsolidierung die Sozialausgaben ohnehin als unverantwortliche Belastung des Staates gesehen werden.
In einem sind sich beide Seiten in diesem Streit aber einig: Die staatlichen Sozialleistungen sind in sozialen Notlagen eine Hilfe für die Betroffenen. Im Seminar wollen wir genau diese allgemein geteilte Grundannahme prüfen.
Unsere These: Die Leistungen des Staates dienen der Funktionstüchtigkeit des kapitalistisch vernutzten Menschenmaterials. Mit einer Hilfe für die Betroffenen sollte man das nicht verwechseln. Außerdem denken wir, dass sich aus der Art der Notlagen, in die man als lohnabhängiger Mensch so absehbar gerät, einiges über die hochgelobte soziale Marktwirtschaft lernen lässt.
Das wollen wir mit euch diskutieren.