UNSER KÖRPER (NOTRE CORPS)

Ein Teenager sitzt im Sprechzimmer des Arztes, die Kamera filmt sie von hinten, so dass sie anonym bleibt. Sie erzählt dem Arzt, wie sie schwanger wurde. Ihr Freund hatte ihr versichert, dass er auf sie aufpassen würde. Jetzt muss sie eine schwierige Entscheidung treffen. Man kann ihre Angst in jedem Satz spüren, den sie spricht. Und von dem Freund gibt es keine Spur.
Dies ist eine der ersten Szenen in Claire Simons beeindruckendem Dokumentarfilm NOTRE CORPS. Mit einem Blick voller Zärtlichkeit blickt sich der französische Regisseur in einer Frauenklinik in Paris um und sammelt Szenen von Geburten und Krebsdiagnosen, Konsultationen zu Endometriose und Hormontherapie für eine ältere Transfrau. Der dabei entstehende Film beginnt zunächst beobachtend, bevor er immer persönlicher wird, ein Film darüber, was es bedeutet, in einem weiblichen Körper zu leben und ein wunderbares Beispiel für die Kraft des Dokumentarfilms. NOTRE CORPS sammelt Erfahrungen, mit denen man sich sonst allein gelassen fühlt. Er macht die Strukturen sichtbar, die Probleme als individuell erachten. Er zeigt, inwieweit die Dinge, über die wir uns nicht zu sprechen trauen, eine gesellschaftliche Dimension haben und diskutiert werden müssen. (Berlinale 2022)