Vor zwei Jahren, am 5. April 2019, fand im freiLand Potsdam die Premiere unseres Anti-Heimatabends statt, zu einer Zeit, als vor dem deutschen Heimatboom kein Entrinnen möglich war. Im Anschluss haben wir über ein Jahr lang, an fast 40 Orten und mit über fünftausend Nestbeschmutzerinnen, Freunden, Genoss:innen, und auch so manchen Heimatliebenden, gemeinsam das Grauen besichtigt. Viele Auftritte sollten noch dazu kommen, Einladungen ins Heimatmuseum Schloss Schönebeck bei Bremen sowie nach Simmern im Hunsrück, quasi ins Herz der Bestie der Heimat-Trilogie von Edgar Reitz, waren deutliche Zeichen dafür, dass wir begannen, mit unserer Kritik die Massen zu erreichen. Dann kam die Pandemie, und die Tour wurde, wie fast alles Kollektive und Schöne, jäh unterbrochen und auf Pause gestellt.

So war es nicht unsere Kritik, sondern die Pandemie, die das Thema Heimat vorerst in die letzte Reihe im politischen Debattenzirkus verbannt hat. Wir sind uns aber sicher, dass sie sich dort nur ausruht, um in all ihrer gemütlichsten Gemeinheit erneut über uns herzufallen, sobald die nationale Identität den Menschen wieder wichtiger erscheint als die nationale Inzidenz. Die post-pandemischen Verteilungskämpfe werden viele sein und hässlich werden, und in ihnen wird Heimat als Begründung zur Verteidigung des Privilegs wieder eine große Rolle spielen. Wir hoffen, dass auch wir dann wieder auf die Bühne zurückkehren, mit unserer „in ihrer Schamlosigkeit nicht überbietbaren Hetzveranstaltung gegen Deutschland“ (AfD), um die neue Geborgenheit als Kleinhölle zu decouvrieren und zu zeigen, dass Heimatliebe und Hanau näher beieinander liegen, als viele glauben wollen.


Noch aber müssen wir uns alle mit der pandemischen Zwangspause arrangieren, und so werden wir zusammen mit dem freiLand Potsdam den Anti-Heimatabend auf die Online- Bühne bringen: Am Montag, den 5. April 2021, um 19:30 Uhr, werden wir die Aufzeichnung eines Auftrittes im Polittbüro Hamburg aus dem November 2019 zeigen. Der Abend wurde professionell gefilmt und mit viel Arbeit aufbereitet und geschnitten. Eigentlich wollten wir mit der Veröffentlichung bis nach dem letzten Auftritt unserer Tour warten. Nun aber werden wir ihn aus Anlass des zweijährigen Premierenjubiläums in voller Länge ins Internet bringen, mit einführenden Worten und Anmerkungen durch Thomas Ebermann und Thorsten Mense. Im Anschluss wird der Mittschnitt für alle frei zugänglich online stehen bleiben.

Aus dem Ankündigungstext

Mit ihr wird für Zahnpasta und Banken geworben, der Trachtenhandel erzielt Umsatzrekorde und das provinzielle Kostüm enthemmt seine Träger/innen. Je trostloser
das Kaff, desto hymnischer hat der Song zu sein, der seinen Liebreiz besingt. So fühlt man sich schon mal wie ein Baum, also tief verwurzelt und unumtopfbar, weil sonst Psyche und Identität Schaden erlitten. Im Namen von Idyll, Harmonie, Tradition, Brauchtum, Familie und weiterer Höllen wird gegen die Fremden und das Fremde zu Felde gezogen. Das und vieles mehr – das Absurde und das Gefährliche – wird an diesem Abend auf Bühne und Leinwand besichtigt und vorgeführt, nachgespielt und kommentiert, analysiert und in die Tonne getreten. Stets parteiisch auf der Seite der historischen und zukünftigen Opfer der Heimat.

Ein Anti-Heimatabend von und mit Thomas Ebermann und Thorsten Mense
Type of Event