Der evangelische Theologe Prof. Matthias Wirth von der Universität Bern stellt sich im Rahmen des diesjährigen Hochfeldener Dialogs zwischen Naturwissenschaften und Theologie (23.-25.10.2020) zum Thema »sex and gender« den Fragen, die sich für Theologie und Kirche aus einem differenzierten Blick auf das Geschlechtliche heute ergeben. Dazu seine eigene Ankündigung:
»Seit der feministischen Kritik kann an der Multirealisierbarkeit des Geschlechtlichen weder empirisch noch normativ vorbeigesehen werden. Pathologisierende Atteste, zum Beispiel über Trans-Personen, sind ungültig geworden. Die mehrfache Falsifizierung des Essentialismus im Kontext des Geschlechtlichen wird zwar zunehmend akzeptiert, weniger emphatisch wird aber auf die Emergenz des Konzepts der Multirealisierbarkeit des Geschlechtlichen reflektiert, sodass trans oder nicht-binäre Geschlechtlichkeit weniger Beachtung findet als eine Pluralisierung binärer Rollenmodelle. Dabei spielt auch eine anhaltende Zurückweisung des katholischen Lehramts eine Rolle, worauf Judith Butler besonders hingewiesen hat. Ihrer anti-essentialistischen Kritik soll nachgegangen werden, auch um daraus Konsequenzen für die theologische Ethik zu ziehen. Die Multirealisierbarkeit des Geschlechtlichen soll als vielleicht verblüffende Antwort der Theologie auf die Frage ‚Was kann ich sein angesichts der gegenwärtigen Seinsordnung‘ (Butler) erprobt werden. Dabei sollen keine abstrakten Imperative entwickelt werden, sondern Humanisierungsschritte: ‚New articulations of the experience of gender ambiguity […] will make lots of people’s lives easier (transgender adults, but also their parents or their children, their friends, their lovers)‘ (Halberstam).«