Lager machen krank. Immer!
Aufruf zur Demonstration
Samstag, 20 Juni 2020 / 18 Uhr / Platz der alten Synagoge
Gegen Lagerpolitik!
Keine Landeserstaufnahmeeinrichtung in Freiburg!
Solidarität mit den Bewohner*innen!
2017 genehmigte die Stadt Freiburg auf dem Gelände der ehemaligen Polizeiakademie anstatt eines solidarischen Wohnprojekts, dessen Konzept schon vorlag, die Errichtung eines Sammellagers für Geflüchtete: Die Landeserstaufnahme Freiburg, kurz und niedlich LEA. Mit dieser Entscheidung wurde der seit den 80er Jahren bestehende Trend der Lagerunterbringung von Geflüchteten konsequent fortgesetzt. Dieser Trend ist zugleich Ausdruck und Resultat der Bestrebung, alle geflüchteten Menschen, die in Deutschland ankommen, der bürokratisch gnadenlosen Kontrolle zu unterwerfen, um sie möglichst effizient registrieren, verwalten und abschieben zu können.
Die Philanthropen der Stadt- und Landesregierung hatten solche Motive natürlich nicht im Sinn, als sie sich auf den Bau der LEA in Freiburg einigten, sie folgten lediglich ihrem rechtschaffenen Gewissen: „Die menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung der Menschen, die auf unseren Schutz und auf unsere Hilfe angewiesen sind, ist ein humanitäres und moralisches Gebot und Ausdruck unserer Verfassungsordnung“ (aus dem Vertrag zwischen Stadt und Land zur LEA Freiburg, 2018). Seit es die LEA gibt, muss Freiburg keine Geflüchteten mehr kommunal aufnehmen und spart dadurch jedes Jahr hohe Unterbringungskosten, da das Lager vom Land betrieben wird. Der Preis hierfür sind Stacheldraht, Isolation und Repression. Gezahlt wird er von den Geflüchteten.
Die Lebensbedingungen in der LEA Freiburg, und dies gilt ausnahmslos für alle Erstaufnahmeeinrichtungen, AnkER-Zentren und Zentralen Aufnahmestellen, sind eine reine Zumutung und verlangen den Bewohner*innen, die in der Regel bis zu 18 Monaten dort untergebracht sind, ein schier unmögliches Maß an Kraft, Geduld und Ausdauer ab. In Anbetracht dessen ist es nicht verwunderlich, dass es immer wieder vorkommt, dass eine „freiwillige Ausreise“ als Ausweg aus der LEA gewählt wird. Dass dies politisch auch gewollt ist, liegt auf der Hand: „Es geht hier um Abschreckung“ (Werner Schiffauer, Vorsitzender des Rats für Migration, 2018).
Die aktuelle Corona-Situation verschärft einen Zustand, der seit Jahren bitterer Alltag vieler Menschen ist: Im Lager wird auf engem Raum gemeinsam gegessen, geschlafen und gearbeitet, ohne Möglichkeit des Rückzugs und der Privatsphäre. Was unter normalen Umständen psychische Dauerbelastung bedeutet, verwandelt sich durch eine Infektionskrankheit wie Covid-19 in eine lebensbedrohliche Situation: Geteilte Sanitäranlagen und Kantinenessen verunmöglichen das Credo dieser Zeit, Abstand zu halten. Wohin dies im Extremfall führen kann, hat sich in der LEA Ellwangen gezeigt, wo aufgrund einiger weniger Corona-Fälle das gesamte Lager unkoordiniert unter Quarantäne gestellt wurde, was zur massenhaften Ausbreitung des Virus und Panik unter den Bewohner*innen führte.
Neben der omnipräsenten Gefahr von Infektionskrankheiten kennzeichnen den Lager-Alltag erzwungenes Nichtstun und vor allem die Erfahrung, dass sogenannte unveräußerbare Rechte hier keine Gültigkeit besitzen: Das Recht auf Unverletzbarkeit der Wohnung, auf Privatsphäre, Bewegungsfreiheit oder freie Wahl der Arbeit werden durch regelmäßige Eingangs-, Taschen- und Zimmerkontrollen, Besuchsverbot, Arbeitszwang und Residenzpflicht permanent mit Füßen getreten. Eine medizinische Behandlung sieht das Asylbewerberleistungsgesetz nur bei „akuten Krankheiten und Schmerzzuständen“ vor.
Es ist bezeichnend, dass Grundrechtseinschränkungen den (Frei)Bürger erst dann empören, wenn sie ihn Corona-bedingt selbst betreffen. Dass das Lager schon immer ein „Ort der Ausnahme“ (Giorgio Agamben) war, an dem nicht mehr klar zwischen Recht und Rechtsbruch unterschieden werden kann, interessiert ihn nicht.
Diese Ignoranz hinsichtlich der Zustände, die Geflüchtete nun schon seit einigen Jahren in der LEA Freiburg zu ertragen haben, zeigt sich auch, nur vielleicht noch zynischer, wenn das Land Baden-Württemberg schreibt, dass „die Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden […] vom Grundsatz eines menschenwürdigen und respektvollen Umgangs mit den Schutzsuchenden getragen [wird]“ (öffentliche Ausschreibung des Landes für einen Betreiber der LEA). Hohn auf jeden, der schonmal Übergriffe und Schikane vonseiten der Security erlebt hat.
Die Corona-Krise hat die üblen Zustände in den Lagern zwar dramatisiert, aber keinesfalls hervorgerufen. Auch vor Corona war das Lager ein systemimmanenter menschenfeindlicher Ort – verursacht und getragen von Rassismus, Nationalismus und der kapitalistischen Logik, das westliche Zentrum, und allem voran Deutschland, vor der abgehängten restlichen Welt um jeden Preis abzuschotten.
Vom 17. – 19. Juni findet in Erfurt die Innenministerkonferenz statt, wo unter anderem die Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Syrien diskutiert wird. Am 1. Juli übernimmt Deutschland den Ratsvorsitz der Europäischen Union und will eine Reform des EU-Asylsystems vorantreiben, was eine massive Verschärfung der bisherigen Ausgrenzung und Abschottung bis hin zur Errichtung von Transitzonen an den EU-Außengrenzen bedeuten würde. Und bis zum 30. Juni muss das Innenministerium Baden-Württemberg einen Bericht zur Rentabilität der Landeslager abgegeben, der höchst wahrscheinlich eine verstärkte Ökonomisierung und Zentralisierung der Aufnahme zur Folge haben wird.
Anlässlich dieser geplanten Ausweitungen der Missstände rufen wir zu Protest gegen die Landeserstaufnahme Freiburg, gegen jegliche Form der Unterbringung von Menschen in Lagern und gegen die repressive und abschottende Außenpolitik Deutschlands und der EU auf!
Die Stadt Freiburg muss Verantwortung für ALLE ihrer Einwohner*innen übernehmen!
Wir fordern…
die sofortige Schließung der LEA Freiburg
die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten!
das landes- und bundesweite Ende der Lagerpolitik!
ein Bleiberecht für alle!
Kommt am Samstag, den 20.06. um 18 Uhr zur Demo auf dem Platz der alten Synagoge!
Haltet Abstand und tragt Mundschutz.
Aktion Bleiberecht & LEA Watch Freiburg
Erstunterzeichnende:
- Amica e.V.
- Anarchistische Gruppe Freiburg
- Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit (aks Freiburg)
- Die Linke Freiburg
- Feministische Linke Freiburg
- Fraktion EINE STADT FÜR ALLE
- Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung
- Informationszentrum 3.Welt (iz3w)
- Initiative SCHLÜSSELMENSCH e.V.
- Medinetz Freiburg
- Rasthaus Freiburg
- Realitätenwerkstatt
- Recht auf Stadt Freiburg
- Resqship
- Rhythms of Resistance Freiburg
- Seebrücke Freiburg
- Solidarity City Freiburg
- Unabhängigen Frauen Freiburg
- Weitblick Freiburg