Die Erdbeben, die Nepal seit dem 25. April erschütterten, sind die größte und tödlichste Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes. Fast 9000 Tote und mehr als 22.000 Verletzte sind zu beklagen. Wohnungen, öffentliche Gebäude und Straßen wurden massiv zerstört. Hunderttausende leben immer noch in Notunterkünften.
Die Versorgungslage mit Wasser und Lebensmitteln ist immer noch schwierig. Besonders in abgelegenen Gebieten im Himalaya kommt kaum Hilfe an. Selbst vor den Beben waren viele Bergdörfer isoliert, da sie nicht an ein Straßennetz angeschlossen sind. Die Menschen müssen über Gebirgspfade oder mit Hubschraubern aus der Luft versorgt werden.
Die Notmaßnahmen der vom bürgerlichen Nepali Congress geführten Regierung und Finanzhilfen der sogenannten -Internationalen Gemeinschaft- reichen bei Weitem nicht, um das Elend und das Leid der Hilfsbedürftigen in Nepal zu lindern. Die ohnehin grassierende Armut ist durch die Zerstörungen von Wohnraum und Erwerbsmöglichkeiten extrem verstärkt worden. Und auch die Infrastruktur des Landes wird noch jahrelang von den Folgen der Beben betroffen sein.
Die Ausmaße und die Folgen der Katastrophe sind nicht nur auf Naturursachen zurück zuführen, sondern haben auch eine politische Dimension. Bis Dezember 2007 war Nepal ein zentralistisch regiertes Hindu-Königreich. Maoistische Partisan_innen führten seit 1996 einen -Volkskrieg- gegen die Monarchie und das Kastensystem. Ihnen gelang es zeitweise den größten Teil des Landes zu kontrollieren und die Hauptstadt Kathmandu von der Außenwelt abzuschneiden.
2002 löste der König das Parlament auf und herrschte diktatorisch bis ihn ein monatelanger Generalstreik und Massendemonstrationen 2006 dazu zwangen das Parlament wieder einzusetzen.
Das Parlament reduzierte den König auf repräsentative Aufgaben und schaffte den Hinduismus als Staatsreligion ab. Bürgerliche Freiheitsrechte und das Ende des Kastensystems wurden verkündet. Die neue Regierung nahm Friedensverhandlungen mit den Maoist_innen auf, die in der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung die Mehrheit der Sitze gewannen und mit ihrem Parteivorsitzenden Prachanda den neuen Premierminister stellten. Die verfassungsgebende Versammlung erklärt Nepal am 28. Mai 2008 zur Republik und beendete damit die die jahrhundertealte Monarchie.
Dennoch kam es unter den Parteien der verfassungsgebenden Versammlung zu keiner Einigung. Prachanda trat nach einem Konflikt mit der Militärführung um die Eingliederung maoistischer Kampfeinheiten in die reguläre Armee zurück.
Der verfassungsgebende Prozess steckt fest und in der Folge kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Streiks, Anschlägen und Demonstrationen. Die Erdbebenkatastrophe hat das Land in einer Zeit getroffen, in der sich das politische System in einer fundamentalen Krise und Neuausrichtung befindet.
Die junge Republik hat es versäumt die ärgste Not der Bevölkerung zu lindern und auch während der Regierung der Maoist_innen hat sich die Lage kaum verbessert. Die eingefahrene politische Situation zwischen Nepali Congress, Kommunistischer Partei (ML), der maoistischen Vereinigten Kommunistischen Partei, Royalist_innen und der ethnischen Minderheitspartei der Madhesi hat nicht nur verhindert, eine neue Verfassung auszuarbeiten, sondern ebenso einen funktionierenden Katastrophenschutz einzurichten.
Es gab keinen Notfallplan, der nach den schweren Beben gegriffen hätte. Weil es an schwerem Gerät fehlte, mussten Überlebende mit bloßen Händen nach ihren verschütteten Angehörigen und Nachbarn graben um sie aus den Trümmern zu bergen. Medizinische Versorgung, Trinkwasser oder Lebensmittel − an allem besteht Mangel. Lebensmittellieferungen, die nach Kathmandu gehen sollten, wurden von hungernden Landbewohner_innen gestoppt und geplündert.
Angesichts der aktuellen Krise empörte sich der ehemalige König Gyanendra öffentlich darüber, dass die Regierung und das Parlament nicht genug unternehmen, um den Betroffenen zu helfen. Diese Bemerkung ist an Zynismus kaum zu überbieten. Dass ein Viertel der Bevölkerung mit weniger als einem US-Dollar täglich auskommen muss und nur 40 Prozent der Bevölkerung lesen und schreiben kann, sind Missstände, die bereits während seiner absolutistischen Herrschaft zu beklagen waren.
Von der massiven Verelendung durch die Katastrophe sind die Ärmsten am schlimmsten betroffen. Doch da die prekäre Versorgungslage in Nepal die gesamte Bevölkerung trifft, stellt sich die Frage, welche politischen Folgen die Unzufriedenheit mit dem Katastrophenmanagement der Regierung nach sich zieht. Ein royalistischer Coup durch das Militär oder eine Wiederaufnahme des bewaffneten Guerillakampfs durch die Maoist_innen scheinen im Moment nicht zu drohen, doch die politische und humanitäre Situation in Nepal bleibt angespannt.
Deshalb sammeln wir mit dem NEPAL 2015 SOLI RAVE im KTS Geld, um dem Elend zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer entgegen zu setzen. Solidarität mit der nepalesischen Revolution und der jungen Republik bedeutet für uns auch, dass wir die fortschrittlichen gesellschaftlichen Errungenschaften durch die Abschaffung der Monarchie – trotz aller Mängel und politischen Wirren – unterstützen.
Die gesammelten Spendengelder sollen ein Beitrag dazu sein, damit der soziale Fortschritt nicht im Elend, das der Naturkatastrophe folgt, völlig versinkt und das Leid der Menschen zumindest gemildert wird. Durch persönliche Kontakte nach Nepal werden Einnahmen der heutigen Nacht vor Ort für die Hilfsbedürftigsten eingesetzt. Es wird für Medikamente, Nahrung, Wasser, Hygieneartikel und Baumaterial verwendet.