Was aber geschieht, wenn man ein Bombardement in Begriffen der
›Endlösung‹ beschreibt? Man übertreibt das erste Verbrechen und ba-
gatellisiert das zweite, kurz: man lügt zweimal. Zunächst nimmt eine
mörderische Handlung den Charakter eines außerordentlich schwer-
wiegenden Verbrechens an, doch sodann wird die Idee des Genozids
selbst trivialisiert, sie verliert ihre eigene Realität und kann ohne wei-
tere Unterscheidung zur Bezeichnung aller militärischen Schandtaten
herhalten. In dieser verbalen Inkontinenz steckt etwas Prognostisches.
Bei jeder Gelegenheit wieder hergesagt, durch seine metaphorische Ver-
wendung geschwächt und durch unnötige Wiederholung beschädigt,
erschöp sich der Begriff ›Genozid‹ und stirbt. Diese Abnutzung der
Bedeutung erleichtert den Revisionisten die Arbeit. Wenn man jedwede
Brutalität einen Genozid nennt, wird das jüdische Beharren auf dem
Gedenken im Grunde unverständlich.«
Dies schrieb Alain Finkielkraut in seinem Buch Revisionismus
von links, das im Original L‘Avenir d‘une négation, also Die Zukun des
Revisionismus, hieß. Diese Zukun ist zu unserer Gegenwart geworden.
Die Geschichte des Dritten Reiches ähnelt immer mehr einem Mythos,
der den politischen Erfordernissen gefügig gemacht wird. So glaubt
Putin gegen die Nazis in Kiew zu kämpfen und die Palästinenser be-
haupten, sie seien die Juden und die Israelis die Nazis von heute, der
Gazastreifen sei ein Ghetto und die militärische Antwort Israels nach
dem barbarischen Angriff der Hamas vom . Oktober ein Genozid an
den Palästinensern. Die Vergangenheit wird so nach Maßgabe der Ge-
genwart einer Revision unterzogen. Hierbei erwiesen und erweisen sich
Auschwitz und die Gaskammern für die Revisionisten als das größte
Hindernis, bei ihrem Versuch der Geschichte wieder einen Sinn zu ge-
ben. Nach Finkielkraut folgt diese Revision stets dem gleichen Muster,
das das Besondere der Shoah einebnet. Dieses Muster hat er analysiert
und seine Geschichte bis zur Dreyfus-Aff äre nachgezeichnet. Der Vor-
trag beschäigt sich mit Finkielkrauts Analyse des linken Revisionismus
und wie es ihm gelang, unsere Gegenwart vor über Jahren vorweg-
zunehmen.
Es spricht Niklaas Machunsky (Köln), der als Sozialwissenschaler
arbeitet.
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