Literaturhaus Freiburg

Bertoldstr. 17
79098 Freiburg
Deutschland

Marion Poschmann: Chor der Erinnyen
Moderation: Annette Pehnt

Wie nur wenige deutschsprachige Schriftstellerinnen bewegt sich Marion Poschmann gleichermaßen elegant wie virtuos in Lyrik und Prosa. Auch ihr jüngster Roman „Chor der Erinnyen“ (Suhrkamp, 2023) ist wie sein filigran gewebtes Spiegelstück „Die Kieferninseln“ durchdrungen von der Bild- und Sprachwelt ihrer Poesie. Am hohen Ton entlanggeschrieben, entfaltet die Parallelgeschichte zu ihrem erfolgreichen Japanroman zwischen den Zeilen feine Ironie.

Der Ehemann hat fluchtartig das Haus verlassen, ohne sich näher zu erklären. Eine Freundin aus Kindertagen taucht wieder auf, die sonst so zurückhaltende Mutter übt plötzlich eine geheimnisvolle Macht aus. Mathilda, die Nüchtern-Rationale, die distanzierte Studienrätin für Mathematik und Musik, wird sich selbst unheimlich. Sie muss erleben, wie sich ihre Visionen in der Wirklichkeit zu manifestieren beginnen. Etwas Dunkles meldet sich zu Wort, ihre Handschrift verselbständigt sich, geflügelte Frauen nehmen in ihrem Alltag immer mehr Raum ein. Es kommt Wind auf, dessen Flüstern ihr seltsam vertraut erscheint. Hört sie den Chor der Erinnyen? Ein Roman über angepasste Freundinnen und aufbegehrende Mütter, über den Frevel an der Natur und ihre fragile Schönheit.

Ralph Tharayil: Nimm die Alpen weg
Moderation: Hanna Hovtvian

„Wir sind zu zweit, wir sind / zu viert. / Wir können die Enge kaum berühren. / Wir sitzen uns / im Nacken.“ Ein unzertrennliches Geschwisterpaar, Eltern wie eine vierarmige Gottheit und die Schweizer Berge als Kulisse für eine Kindheit, die zwischen Sprachen und Anpassungen verläuft. In seinem Roman „Nimm die Alpen weg“ (Voland & Quist, 2023) verleiht der Autor und Musiker Ralph Tharayil zwei Kindern eine Stimme: Im Chor erzählen sie von Velo-Ausflügen zu Telefonzelle und Müllhalde, vom Zuhause zwischen Tomatensauce und Videokassetten und von den stets müden Ma und Pa, die in der Fabrik und im Spital schuften.

In einer luziden, minimalistischen Prosa entwickelt Ralph Tharayil in seinem mit der Alfred Döblin-Medaille ausgezeichneten Debüt eine Geschichte des Aufwachsens, die von den Formen und Deformationen der Integrationserfahrung handelt, von der Sprache und den Körpern, die sich dieser Erfahrung widersetzen: „Tharayils Sprache ist von verführerischer Klarheit. Sie lässt uns das Schöne im Gewaltigen erkennen, und in der Stille das Fremde und Andere in uns. Wir wollen nicht mehr aufhören zu lesen: diese Alpen“ (Julia Franck).

Joanna Bator: Bitternis
Moderation: Lisa Palmes

„Ihr fabulierender, mitreißend-sprudelnder Sprachfluss, kontrolliert von Ironie, feinsinniger Komik und Empathie, führt das Ensemble ihrer unvergesslichen Figuren durch Zeiten und Generationen“, so die Jury des Spycher-Literaturpreises, den Joanna Bator 2014 erhielt. Seit ihren Romanen „Sandberg“ und „Wolkenfern“ zählt die polnische Schriftstellerin Joanna Bator zu den wichtigsten Stimmen der europäischen Literatur.

Ihr neues Werk „Bitternis“ (Suhrkamp, 2023, aus dem Polnischen von Lisa Palmes) erweitert das Jahrhundertpanorama ihrer Geschichten um eine weitere Dimension: Kalina Serce, jüngster Spross einer Frauendynastie, Erforscherin der düsteren Familienhistorie, betritt eine Villa, die lange Zeit unbewohnt war. Sie tastet nach dem Ebonit-Schalter aus der Vorkriegszeit, um Licht zu machen – eine Ankunft im Unvertrauten. In diesem Haus, der früheren Pension Glück im schlesischen Langwaltersdorf, traf sich Kalinas Urgroßmutter Berta mit ihrem Geliebten: Berta träumt von einer Flucht mit ihm nach Prag, die der Vater verhindert. Der Hass auf ihn wird so groß, dass sie zu einer ungeheuren Tat schreitet.

Über weibliche Lebensentwürfe und ihr Scheitern, über Geheimnisse und Gewalt und darüber, wie das Erzählen den Bannkreis der Bitternis brechen kann, spricht Joanna Bator mit ihrer Übersetzerin.


Eintritt: 10/5 Euro (für alle drei Lesungen)

37. Freiburger Literaturgespräch: Kurzlesungen mit Gespräch
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