Uni KG II, HS 2006

Dem allein lebenden Alt-68er Winfried fehlt der Draht zu seiner Tochter Ines, die als Unternehmensberaterin um die Welt und die Karriereleiter hinauf eilt. Als der Vater die gerade in Bukarest mit einem Projekt beschäftigte Ines unangekündigt besucht, gerät die erhoffte Annäherung ob Winfrieds eigenwilligem Humor und gegenseitiger subtiler Kritik der Weltsichten zum Fiasko. Kurzerhand mischt er sich als sein Alter Ego "Toni Erdmann" mit schlecht sitzendem Anzug und Gebiss in diese moderne Welt der Optimierer und Selbstdarsteller, um Ines doch noch „zu sehen“.

Die Karlsruher Regisseurin Maren Ade landet bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes mit ihrem dritten Langfilm völlig überraschend einen selten so klaren Presse- und Publikumsfavoriten um die Goldene Palme. Die Standing Ovations hallen auch an den internationalen Kinokassen nach und unterstreichen die für die (deutsche) Kinolandschaft wahrhafte Ungewöhnlichkeit dieses Films. Mit einer beeindruckenden Natürlichkeit entwickelt sich die schlicht anmutenden Geschichte der entfremdeten Vater-Tochter-Beziehung zu einer regelrechten Persönlichkeit von einem Film, die nicht nur einem meisterlich Nuancen wägendem Drehbuch geschuldet ist, das seinen subtilen Sujets mutig viel Raum und seinen Figuren hohen, zarten Respekt einräumt. Vor allem verstehen es Sandra Hüller und Peter Simonischek, all dies dem ebenso ernsten wie beizeiten Tränen lachenden Betrachter mit ihrem brillanten Spiel im wahrsten Sinne nahe zu bringen. Toni Erdmann bannt jene unsagbaren Momente auf die Leinwand, die festzuhalten seinen Protagonisten verwehrt bleibt – das ist schlichtweg höchste Filmkunst.

Vorfilm: Heimaturlaub
R: Dorit Kriesewetter, Carsten Knoop P: D 2015 L: 2 Min.
Die Kühe haben sich schon an den Kompressor in der Küche gewöhnt. Die Krähen auch.

Produktion: D / A, 2016 Länge: 162 min. Fassung: DCP, Dt. OV
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